(ots) - US-Soldaten urinieren auf die Leichen von
Afghanen. Die Bilder gehen um die Welt. Kinder, unreif, seien es
letztlich gewesen, so lautet die Entschuldigung aus Washington. Kurz
darauf verbrennen US-Soldaten den Koran, zufällig, unbeabsichtigt,
wie es heißt. Am Wochenende nun erschießt ein US-Soldat 16
Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, verbrennt die Leichen. Ein
Einzeltäter. Fragt sich nur, wen die US-Militärs mit diesen
Beschwichtigungen beruhigen wollen - die Afghanen oder sich selbst?
Schließlich waren es US-Soldaten, weder Kinder, noch Einzeltäter, die
2010 Jagd auf unschuldige Afghanen machten. Eine "unglückliche
Verkettung schrecklicher Fälle" könnte man die Ereignisse vielleicht
noch nennen. Aber auch das taugt nicht mehr als Entschuldigung. Der
Krieg am Hindukusch ist verloren. Spätestens jetzt. Militärisch war
der Konflikt in Afghanistan nie zu gewinnen. Die Taliban sind keine
Armee, die geschlagen werden kann. Das ist und bleibt das
Grundproblem des Einsatzes. Eine Allianz konventioneller Armeen
kämpft gegen eine unkonventionelle Ansammlung von Wiederständlern,
die ihre Ideologie eint, und deren Ressourcen nahezu unerschöpflich
ist. Aus dem Nachbarland Pakistan, aus Koranschulen rekrutiert sich
eine Flut von jungen Menschen, die ihr Land von den "Besatzern"
befreit sehen wollen - das ist so etwas wie eine Grundkonstante der
jüngeren afghanischen Geschichte geworden. Dagegen wirken Waffen
alleine nicht. Umso richtiger war es, einen Kampf um die Herzen der
Afghanen zu fordern, zu zeigen, dass ihnen diesmal die Soldaten nicht
ihr Land nehmen, sondern ihnen im Gegenteil eine Zukunft geben wollen
- und das dieser Zukunft die Taliban im Wege stehen. Das hat auch
eine Zeit lang gut funktioniert. Die Taliban wurden verjagt, ihre
militärische Macht gebrochen. Es gibt eine moderne Verfassung, die es
möglich macht, dass unter den 249 Parlamentarierin 69 Frauen zu
finden sind - und das in einem islamischen Land. Aber es ist Krieg in
Afghanistan. Und Kriege fordern Opfer. Jeder Zivilist, der im
Kugelhagel der "Befreier" fiel, war einer zu viel - und jeder
Zivilist, der von den westlichen Soldaten bewusst getötet wurde, war
ein Punktsieg für die Taliban. Es steht zu befürchten, dass die
jüngsten Vorfälle die Tropfen sind, die das Fass zum Überlaufen
bringen werden. Das afghanische Parlament hat gestern klargestellt,
dass es keine weiteren Vorfälle wie das vom Wochenende tolerieren
will. Und auch in den USA mehren sich die Stimmen, die sagen, dass es
höchste Zeit ist, das Land zu verlassen. Die Taliban als
ideologischer Kopf einer mittlerweile sehr breit angelegten
Widerstandsbewegung in Afghanistan waren lange in der Defensive. Ihre
Position war aufgrund der Erfolge im Land - vor allem der humanitären
- geschwächt. Es war sogar möglich geworden, sie zu Gesprächen über
die Zeit nach dem Truppenabzug zu nötigen. Doch das dürfte jetzt
vorbei sein. Eine weitere Präsenz der westlichen Truppen in
Afghanistan kann ihnen sogar recht sein: Jeder tote Afghane, der
durch die Hand der Nato stirbt, liefert ihnen eine Rechtfertigung
mehr, den bewaffneten Kampf fortzusetzen. Sicher: Kriege fordern
immer unschuldige Opfer. Das ist die grausame Realität und die
Wahrheit, die niemand hören will, auch in Deutschland nicht. Aber je
länger Kriege dauern, desto höher ist die Chance, dass die Zahlen
aufgerechnet werden. Diesen Punkt hat Afghanistan bereits
überschritten. Der Krieg gegen die Taliban war nie zu gewinnen. Aber
er war zu verlieren. Nicht auf militärischem Weg. Sondern in dem
Maße, wie der Kampf um die Herzen der Afghanen verloren wurde. Was
nie geschehen durfte, ist nun doch eingetreten.
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