(ots) - Seit genau einem Jahr steht das Bildungs- und
Teilhabepaket für Kinder armer Eltern im Gesetzblatt. Aber in der
Öffentlichkeit wird immer noch über die Umsetzung der nicht mehr ganz
so neuen Regelungen gestritten. Verwundern kann das nicht.
Schließlich handelt es sich bei der Reform um das Resultat eines
zähen politischen Gerangels zwischen Regierung und Opposition.
Glaubt man Sozialministerin Ursula von der Leyen und den
Spitzenverbänden der Kommunen, dann gab es nur kleine Geburtsfehler.
Inzwischen sei man aus dem Gröbsten heraus, so der gemeinsame Tenor
gestern in Berlin. Die Wahrheit ist weniger rosig. Wenn nach immensen
Anlaufschwierigkeiten inzwischen gut die Hälfte der
anspruchsberechtigten Kinder vom Bildungspaket profitiert, dann heißt
das eben auch, dass die andere knappe Hälfte bislang leer ausgeht.
Sicher: Mancher Sportverein hat Kindern armer Eltern schon vorher
kostenlose Mitgliedschaften angeboten. Und nicht jedes Kind ist auf
öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um zur Schule zu kommen.
Folglich erübrigt sich hier auch eine finanzielle Unterstützung.
Allerdings muss man sich schon darüber wundern, wenn es von der Leyen
"verständlich und logisch" findet, dass lediglich fünf Prozent der
Berechtigten einen Nachhilfeunterricht in Anspruch nehmen. An dieser
Stelle ist das Bildungspaket ein Etikettenschwindel. Alle
einschlägigen Untersuchungen belegen eine überdurchschnittliche
Bildungsferne von Kindern in Hartz-IV-Familien. Das Bildungspaket
könnte ein Chance sein, dieser traurigen Entwicklung ein Stoppzeichen
zu setzen. Doch es beginnt schon mit dem Webfehler, dass eine
Nachhilfe nur bei Versetzungsgefährdung bezahlt wird. Dabei greifen
auch besser gestellte Familien häufig auf Extra-Unterrichtsstunden
für ihre Sprösslinge zurück - um sie für eine Gymnasialempfehlung fit
zu machen. So gesehen zementiert das Bildungspaket sogar die
Bildungsunterschiede. Obendrein hat sich herausgestellt, dass die
bürokratischen Hürden ausgerechnet bei den Anträgen für die
Lernförderung am größten sind. Der hehre politische Anspruch, Kinder
armer Eltern endlich genauso an den Aufstiegschancen teilhaben zu
lassen wie ihre Altersgefährten in anderen Familien, wird damit zur
Farce. Zweifellos kann das Bildungspaket nicht alle Fehler des
Schulsystems beheben. Die zentrale Herausforderung bleibt der Ausbau
der Kinderbetreuung, bleibt die Schaffung von Ganztagsschulen.
Hoffnungsvoll stimmt, dass alle politisch Beteiligten, also Bund,
Länder und Kommunen immer wieder Rechenschaft über das Erreichte
ablegen müssen. Schließlich geht die Reform auf eine Intervention des
Bundesverfassungsgerichts zurück.
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