(ots) - Beileibe nicht jeder Streit, der durch markige
Formulierungen zum Skandal dramatisiert wird, ist auch ein solcher.
Jüngstes Beispiel ist der deutsch-schweizerische Daten-Krimi. Sein
Inhalt ist in der Tat brisant. Durch den Ankauf einer CD mit Daten
deutscher Steuerflüchtlinge durch deutsche Steuerfahnder sehen
einerseits die Schweizer ihr hohes Gut des Steuergeheimnisses
beschädigt. Aus ihrer Sicht ein nach Artikel 273 des schweizerischen
Strafgesetzbuches zu ahndendes Vergehen. Die deutschen Steuerfahnder
andererseits haben sich in bestem Glauben auch nur an ihr nationales
Recht gehalten. Nämlich an die Pflicht, Steuerflüchtlingen auf die
Spur zu kommen. Trotzdem: Bei aller jetzt herausposaunten Empörung
beiderseits von Basel und Schaffhausen handelt es sich also um keinen
Skandal, sondern einfach um unterschiedliche nationale Interessen.
Was tun vernünftige Nachbarn in einem solchen Fall? Sie suchen nach
einem Kompromiss. Der war zwischen den Regierungen in Berlin und Bern
schon ziemlich weit gediehen. Bis ihn eine rot-grüne Mehrheit im
Bundesrat am vergangenen Freitag stoppte. Den von SPD und Grünen
geführten Landesregierungen geht nicht weit genug, was Finanzminister
Wolfgang Schäuble mit seinem schweizerischen Kollegen ausgehandelt
hat. Danach hätte der deutsche Fiskus eine Nachzahlung
(Nachversteuerung) von etwa zehn Milliarden Euro durch die
Steuerhinterzieher erwarten können. Der Schweiz sollte zugesichert
werden, dass Deutschland künftig keine Datenträger voller
gespeicherter Schwarzgelder mehr kaufen werde. Die prompte Antwort
aus der Schweiz auf das "Nein" in der Länderkammer dürfte schwerlich
ein zeitlicher Zufall sein: Ermittlungsverfahren samt Haftbefehl
gegen die drei deutschen Steuerfahnder, die die CD mit den
Schwarzkonten deutscher Anleger in der Schweiz gekauft hatten.
Begründung: Wirtschaftsspionage. Denn auch die eidgenössische
Regierung steht unter Druck: Wie der deutschen wird ihr
innenpolitisch vorgeworfen, zu nachgiebig verhandelt zu haben. Statt
grenzüberschreitend beidseitig weiter Skandal zu schreien, gar die
Kavallerie in Marsch zu setzen, wie einst SPD-Finanzminister Peer
Steinbrück empfohlen hatte, müssen alle Beteiligten - wie in
Finanzfragen immer - kühlen Kopf bewahren. Die Deutschen mögen die
Moral auf ihrer Seite wissen. Die Schweizer haben ihre
wirtschaftlichen Interessen und damit ihren Finanzplatz im Sinn. Und
wenn sich zwei so streiten, selbst wenn der eine ein Kleiner ist,
darf keiner zur Kapitulation gedemütigt werden. Anderenfalls droht
dauerhafte Verstimmung. Die kann keiner wollen. Der an SPD und Grünen
vorerst gescheiterte Kompromiss war ein schon recht ausgewogener.
Zehn Milliarden Steuernachzahlung und das Recht für deutsche
Finanzbehörden, Stichproben in der Schweiz vorzunehmen, sind kein
Pappenstiel. Mag es für die heimische Opposition angesichts der
bevorstehenden Wahlkämpfe noch so verlockend sein, sich zu empören
und eine angeblich zu pflegliche Behandlung von Steuerflüchtlingen
anzuprangern - sie sollten einem Kompromiss nicht länger im Wege
stehen. Gute Nachbarschaft - war das nicht immer ein Markenzeichen
gerade der SPD?
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