(ots) - Euro-Ausstieg Griechenlands muss in jedem Fall
verhindert werden / Langfristige Folgen der heutigen Entwicklung
nicht absehbar
Hamburg, 17. April 2012 - Der ehemalige Bundesbankpräsident Helmut
Schlesinger hat die derzeitige Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank (EZB) scharf kritisiert. Im Interview mit dem
Wirtschaftsmagazin 'Capital' (Ausgabe 05/2012, EVT 19. April) sagte
Schlesinger: "Derzeit betreibt die EZB keine Geldpolitik im engeren
Sinne, sondern nur noch Antikrisenpolitik." Die EZB weiche in der
Geldpolitik von der ursprünglichen Idee ab, dass die Lage im gesamten
Währungsraum die Maßnahmen bestimmt und nicht die in einzelnen
Ländern. Er warnte in diesem Zusammenhang vor Eurobonds: "Sie sehen
ja, wie schlecht das bisher läuft." Es sei ja nicht nur so, dass wir
beim Rettungsschirm für die Länder haften, die vor der
Zahlungsunfähigkeit stehen.
Schlesinger, der über vier Jahrzehnte bei der Bundesbank
beschäftigt und 1991 bis 1993 ihr Präsident war, stellte gegenüber
'Capital' klar, dass sich 1993 bei den Verhandlungen über die
Währungsunion niemand habe vorstellen können, dass "es plötzlich
Länder gibt, die eigentlich bankrott sind". Er habe auch nicht damit
gerechnet, dass "ohne Weiteres für 280 Milliarden Euro Staatspapiere
mit dem Hinweis gekauft werden, dies sei nötig, um den
geldpolitischen Funktionsmechanismus aufrechtzuerhalten".
Einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone sieht der ehemalige
Bundesbankpräsident als "äußerst schwierig" an. Das käme ja einer
Währungsreform gleich. Seiner Ansicht nach müsse "in jedem Fall ein
ungeordneter Ausstieg verhindert" werden. "Das wäre das Schlimmste",
so Schlesinger gegenüber 'Capital'.
Für die Zukunft ist Schlesinger nur bedingt optimistisch: "Die
langfristigen Folgen der heutigen Entwicklung sind nicht abzusehen.
Ich fürchte, sie sind nicht gut."
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