(ots) - Als Nicolas Sarkozy damit begann, mit Blick auf
die Präsidentschaftswahlen Werbung in eigener Sache zu betreiben,
konnte man noch den Eindruck gewinnen, er hätte erspürt, welche
Sorgen seine Landsleute umtreiben. Er veranstaltete einen Job-Gipfel,
kündigte an, Unternehmen durch die Senkung der Lohnnebenkosten zu
entlasten und die heimische Industrie durch eine Höherbesteuerung von
Importartikeln zu fördern. Gegen das Haushaltsdefizit sollte eine
verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse helfen. Kurzum, Sarkozy
wollte Wirtschaftskompetenz demonstrieren. Davon ist nicht mehr viel
übrig. Es hätte die perfekte Wahlkampfstrategie werden können, wenn
sich Sarkozy auf die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme der
"Grande Nation" konzentriert hätte - und das nicht nur rhetorisch,
sondern auch konzeptionell. Schon 2007, zu Beginn seiner
Präsidentschaft, versprach Sarkozy den Wählern für mehr
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu sorgen. Ziemlich genau zum
gleichen Zeitpunkt schlug in Frankreich die Finanzkrise ein - und
setzt sich bis heute beinahe ungehindert fort. Die Zahlen klingen wie
eine persönliche Niederlage Sarkozys: So fuhr Frankreich im
vergangenen Jahr ein Außenhandelsdefizit von 80 Milliarden Euro ein,
die Staatsverschuldung liegt bei 90 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts, dem Land droht in diesem Jahr sogar eine
Rezession. Am 13. Januar wurde Frankreichs Angsttraum Wirklichkeit:
Das Land verlor die Triple-A-Bonität der Rating-Agentur Standard &
Poor's. Die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent - eine Million
Menschen mehr sind arbeitslos als zu Beginn der Amtszeit Sarkozys.
Die unter 25-Jährigen sind besonders häufig davon betroffen. Es gibt
einen aufgeblähten Beamtenapparat - jeder Fünfte ist in Frankreich im
öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Produktionsquote ist niedrig,
die Staatsquote dafür so hoch wie in keinem anderen Land der
Euro-Zone. Klar ist: Solche Probleme sind nicht einfach zu lösen. Das
ist aber den Wählern egal, die sich um ihre Zukunft sorgen. Sie
identifizieren einen Präsidenten, vor allem einen, der sich als
"Macher" inszeniert, mit der Lage des Landes. Sarkozy entschied sich
für die einfache Variante, um Popularitätspunkte zu sammeln und
konzentrierte sich in seinem Wahlkampf zeitweise relativ erfolgreich
auf Themen, die ihm Zustimmung von rechten Rand des Parteienspektrums
brachte. Er plädierte für die Begrenzung von Einwanderung, für die
Aussetzung des Schengen-Abkommens, um Grenzkontrollen zu ermöglichen.
Mit dem Rechtskurs war es nach der Mordserie von Toulouse aber
weitgehend vorbei. Ein weiterer Versuch, die Defizite seiner
wirtschaftspolitischen Bilanz auszugleichen: Sarkozy setzte sich auf
dem internationalen Parkett in Szene und wollte sich der
Weltöffentlichkeit und den Franzosen etwa durch seinen Alleingang bei
der Anerkennung des libyschen Übergangsrats im Arabischen Frühling
als starken Mann präsentieren. Auch innerhalb der Europäischen Union
versuchte er, eine Führungsrolle zu übernehmen. Doch der potenzielle
Nachfolger würde es kaum besser machen: Konkrete Rezepte gegen die
wirtschaftlichen Probleme Frankreichs hat auch Sarkozys ärgster
Widersacher, der Sozialist François Hollande, nicht zu bieten. Egal,
wer am Ende das Rennen macht - der nächste Präsident wird vor der
Herausforderung stehen, die Finanzen und die Wirtschaft Frankreichs
wieder auf Vordermann zu bringen. Es wird sich zeigen, mit wem die
Franzosen diesen Weg gehen wollen - mit dem besonnenen Hollande oder
mit einem als hyperaktiv geltenden "Präsident der Reichen", der schon
in den vergangenen Jahren an den wirtschaftlichen und finanziellen
Ängsten der Menschen vorbeiregierte.
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