(ots) - So ungewöhnlich die frühe Absage der Jalta-Reise
von Bundespräsident Joachim Gauck auch ist, sie ist das richtige
Signal. Das Treffen hätte dem ukrainischen Staatschef Viktor
Janukowitsch eine Bühne geboten, die er angesichts seines
Vernichtungsfeldzuges gegen die Opposition nicht bekommen darf. Das
gilt auch für die Fußball-Europameisterschaft im Sommer. Ein Boykott
hilft niemandem. Unerlässlich ist jedoch ein Verzicht auf alles, was
Janukowitsch dazu dienen kann, sich als Staatsmann von europäischem
Format zu präsentieren. Die Zuspitzung des Konflikts hat sich
Janukowitsch selbst zuzuschreiben. Der Präsident tritt die
Menschenwürde seiner Gegenspielerin Julia Timoschenko vor den Augen
der Welt mit Füßen. Die Oppositionsführerin wird nicht nur mit immer
neuen Anklagen überzogen. Vor allem verweigern die Behörden ihr eine
angemessene medizinische Behandlung. Stattdessen wenden sie
eingestandenermaßen Gewalt an. Diese Schläge sind auch Schläge ins
Gesicht all jener im Westen, die sich für eine Annäherung der Ukraine
an Europa stark machen. Mit westlichen Denkmustern ist das nicht zu
begreifen. Wenn der Präsident es sich mit der EU nicht völlig
verderben will, so denkt man, müsste er doch zumindest bis zum
EM-Endspiel und darüber hinaus bis zur ukrainischen Parlamentswahl im
Herbst ein Interesse daran haben, die Lage zu beruhigen. Stattdessen
lässt der Staatschef prügeln. Was treibt Janukowitsch? Die
ukrainischen Denkmuster sind - zumindest an der Staatsspitze - die
Denkmuster einer Mafia, die nicht von strategischen Köpfen, sondern
von stupiden Schlägern gelenkt wird. Es ist wahrscheinlich ebenso
simpel wie schockierend: Die Clique um Janukowitsch hat beschlossen,
die Oppositionsführerin zu vernichten - politisch und wirtschaftlich,
möglicherweise aber auch physisch. Was die EU darüber denkt, ist
diesen Männern gleichgültig. Die Entscheidung über das Schicksal der
Ukraine fällt deshalb im Land selbst. Beobachter sprechen seit
Längerem von einer vorrevolutionären Situation. Um Timoschenko wird
es bei dem Showdown allerdings nicht gehen. Sie ist den meisten
Ukrainern inzwischen herzlich egal, weil sie sich einst an der
Ausplünderung des Landes beteiligt hat. Aber die Tatsache der
Ausplünderung an sich bietet genug Sprengstoff, um die ehemalige
Sowjetrepublik einmal mehr zur Explosion zu bringen.
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