(ots) - Telefoniert haben sie schon. Und "baldmöglichst"
werden sich Angela Merkel und Frankreichs neuer Staatspräsident
François Hollande im Berliner Kanzleramt auch persönlich in die Augen
schauen. Wer glaubt, die vom französischen Wähler erzwungene
Scheidung des Paares "Merkozy" werde sich zu einer längeren schweren
Beziehungskrise zwischen beiden Ländern ausweiten, dürfte sehr
schnell eines Besseren belehrt werden. Angela Merkel allemal, aber
auch der eher kühle Hollande lassen sich weniger von Emotionen, mehr
von der Ratio leiten. Die Vernunft muss beiden sagen, dass nun sie
für die Rettung des großen europäischen Einigungswerkes
verantwortlich sind. Ein Ignorant, der meint, eine konservative
Kanzlerin und ein sozialistischer Präsident seien dazu nicht in der
Lage. Wie gut das funktionieren kann, haben François Mitterrand und
Helmut Kohl vorgeführt. Auch jetzt liegen die Politikansätze zwischen
Merkel und dem "Neuen" keineswegs so diametral auseinander, wie es im
nachbarlichen Wahlkampf geklungen hat. Und weil die "Alte" und der
"Neue" beide lernfähig sind, dürfte der Weg zum Kompromiss im
zentralen Streitpunkt gar nicht so weit sein. Hollandes Forderung
nach einer Neuverhandlung des Fiskalpaktes mit den Inhalten
Haushaltskonsolidierung und Schuldenbremse wird vergeblich bleiben.
In der anderen Forderung, diesen europäischen Pakt zur Sicherung des
Euro um einen Wachstumspakt zu ergänzen, steckt der Schlüssel zur
Verständigung und damit zum Flottmachen des rumpelnden europäischen
Motors. Mittlerweile hat sich auch bis ins Kanzleramt
herumgesprochen, dass mit Sparen allein die wirtschaftlichen und
sozialen Probleme insbesondere im südlichen Europa nicht zu
bewältigen sind. Nicht zufällig erinnerte gestern der Vertraute der
Kanzlerin und Parlamentarische Geschäftsführer der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, an die reichlich
gefüllten europäischen Strukturfonds, aus denen unbürokratisch Gelder
zur Förderung von Wirtschaftswachstum abzurufen seien. Und wenn
solche Gelder - anders als einst in Griechenland - kontrolliert für
durchgreifende wirksame Strukturveränderungen, Arbeits- und
Bildungsprogramme, aber auch echte Investitionen eingesetzt werden,
wird ein weiteres überschaubares Milliardenprogramm schwerlich an
Berlin scheitern. Aus sozialpolitischer Einsicht, europäischer
Verantwortung und letztlich auch aus machtpolitischem Kalkül. Mit dem
doppelten Ansatz von strikter Konsolidierung einerseits, streng
geregeltem Aufbau von Wachstumspotenzialen andererseits würde die
Kanzlerin nicht nur Hollande und ihre anderen Kritiker in der EU
besänftigen. Sie schlüge der heimischen SPD auch ein weiteres
zentrales Wahlkampfargument für 2013 aus der Hand. Mehr noch. Mit der
erzwungenen neuen Beziehung zu Frankreichs Sozialisten kann Frau
Merkel schon mal die Neuauflage einer großen Koalition in Deutschland
proben. Gemäß ihrem politischen Lebensprinzip: flexibel sein und wohl
bedacht einlenken. So ist der von Sigmar Gabriel beschworene Aufwind
aus dem Westen für die SPD eher ein trügerischer. Auch mit ihm wird
Rot-Grün angesichts der Zersplitterung der Parteienlandschaft 2013
schwerlich das ersehnte Ziel Rückkehr ins Kanzleramt erreichen.
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