PresseKat - juravendis Rechtsanwälte: Rechtliche Einordnung von Desinfektionslösungen in der Getränkeindustri

juravendis Rechtsanwälte: Rechtliche Einordnung von Desinfektionslösungen in der Getränkeindustrie

ID: 63346

Zusatzstoff, Biozid oder doch eher Verarbeitungshilfsstoff? In der Getränkeindustrie werden häufig chemische Lösungen zur Desinfektion und Keimreduktion auf Oberflächen, zur Behandlung von Prozess-, Kühl- und Reinigungswasser sowie zur mikrobiologischen Stabilisierung von Getränken verwendet. Es stellt sich hierbei die Frage, wie diese Lösungen rechtlich einzustufen sind, da die falsche Klassifizierung Überwachungsbehörden, Wettbewerber und Wettbewerbshüter auf den Plan rufen kann.

(firmenpresse) - Wegen der desinfizierenden Funktion der Lösungen würde man wahrscheinlich zunächst an die Einstufung als Biozidprodukt denken, da Biozide dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen (§ 3 b Abs. 1 Nr. 1 Chemikaliengesetz). Andererseits kommt auch die Einstufung als Lebensmittelzusatzstoff in Betracht, sofern die Lösung zur mikrobiologischen Stabilisierung von Getränken verwendet wird, da Lebensmittelzusatzstoffe kurz definiert einem Lebensmittel aus technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden (siehe § 2 Abs. 3 LFGB). Allerdings sind Lebensmittelzusatzstoffe wiederum von Verarbeitungshilfsstoffen abzugrenzen. Verarbeitungshilfsstoffe sind vom Begriff des Lebensmittelzusatzstoffes ausgenommen, werden ebenfalls aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung von Lebensmitteln verwendet, hinterlassen dabei jedoch nur „unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Abbau- oder Reaktionsprodukte von Rückständen in gesundheitlich unbedenklichen Anteilen, die sich technologisch nicht auf dieses Lebensmittel auswirken“.

Warum nun dieses ganze Definitionswirwarr? Weil Biozidprodukte nach dem Chemikaliengesetz und Lebensmittelzusatzstoffe nach den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zugelassen sein müssen, Verarbeitungshilfsstoffe hingegen grundsätzlich nicht (letztere können allerdings der REACH-Verordnung unterliegen). Zudem wird nicht jeder Stoff, der in einem Biozid-Produkt verwendet werden darf, auch als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen sein. Insofern kommt der richtigen Einstufung eine erhebliche praktische Relevanz zu. Das Inverkehrbringen von nicht zugelassenen Lösungen kann dabei schwerwiegende Rechtsfolgen bis hin zu Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren verursachen.

Die Europäische Kommission ist in einem rechtlich unverbindlichen Leitdokument zum Anwendungsbereich der Biozid-Richtlinie („Manual of Decisions“) der Auffassung, dass Lösungen, die sowohl zur Stabilisierung von Trinkwasser als auch der Desinfektion von Anlagen dienen, Biozid-Produkte sind. Damit würde selbst bei der Zugabe einer Lösung zu einem fertigen Getränk ein Biozid-Produkt vorliegen, sofern die Lösung auch in anderen Bereichen zur Desinfektion von Anlagen genutzt wird. Nach Ansicht des Verfassers entscheidet für die Einstufung eines Produktes jedoch stets der konkrete Verwendungszweck. So gibt es beispielsweise Stoffe, die sowohl in Lebensmitteln als auch in kosmetischen Mitteln Verwendung finden. Auch hier ordnen Rechtsprechung und Rechtsliteratur Produkte mit diesen Stoffen nicht von vornherein einer Produktkategorie zu, sondern stellen auf den jeweiligen Verwendungszweck ab.





Für die richtige Einordnung wird es unter anderem auch auf die Deklaration der Lösung ankommen. Wird die Lösung ohne konkreten Anwendungsbereich gekennzeichnet und vorwiegend im Bereich der Desinfektion von Anlagen eingesetzt, kann dieser überwiegende Verwendungszweck zur Einstufung als Biozid-Produkt führen. Wird die Lösung hingegen mit einem deutlichen Hinweis zum Einsatz im Getränkewasser oder im Getränk selbst versehen, könnte dies je nach Fall der Einstufung als Biozid-Produkt entgegen stehen.

Dann würde sich die Frage stellen, ob ein Lebensmittelzusatzstoff oder Verarbeitungshilfsstoff vorliegt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob „unbeabsichtigt, technisch unvermeidbare Rückstände“ der Lösung im Getränk verbleiben. „Unbeabsichtigt, technisch unvermeidbare Rückstände“ bedeutet, dass der zugesetzte Stoff bis auf technisch unvermeidbare Reste im Enderzeugnis nicht mehr vorhanden sein darf. Kommt der Lösung im Produkt eine fortdauernde Zweckbestimmung zu, kann von einem Verarbeitungshilfsstoff jedenfalls nicht mehr gesprochen werden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 10.12.2007, Az. 5 U 5/07 – Färbendes Fruchtkonzentrat).

Letztlich wird es vom Einzelfall abhängen, wie eine Desinfektionslösung zu klassifizieren ist. Um nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, sollten sich sowohl Hersteller als auch Verwender rechtzeitig Klarheit über den Status ihrer Produkte verschaffen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer

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Datum: 03.11.2008 - 13:39 Uhr
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Freigabedatum: 03.11.2008

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