Prüfungen, sowohl in Schule als auch an der Universität oder vor einem Prüfungsamt sind für alle Seiten belastend. Für die Prüfungskandidaten hängt von der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens oftmals der künftige berufliche Erfolg ab. Nicht selten steht auch die Frage im Hintergrund, ob die vergangenen Jahre der mühsamen Ausbildung vergebens waren. Daher ist es nur verständlich, dass viele Prüfungskandidaten gegen Prüfungsentscheidungen vor die Verwaltungsgerichte ziehen. Am 21. März 2012 hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgericht eine weitere Entscheidung zum Prüfungsrecht getroffen und damit die Hürden für die Annahme eines unzulässigen Beeinflussungsversuch, der zum Nichtbestehen der Prüfung führt sehr hoch. ilex ordnet die Entscheidung in den Gesamtkontext des Prüfungsrechts ein und zeigt, worauf künftig zu achten ist.
(firmenpresse) - 1. Die Entscheidung
Hintergrund ist das juristische Staatsprüfung in Sachsen. Die Klägerin hatte bereits einen erfolglosen Examensversuch hinter sich und wagte einen zweiten, entscheidenden Versuch. Doch bereits ihre schriftlichen Ergebnissen reichten nicht aus, um überhaupt zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Gegen diese Ergebnisse legte sie Widerspruch ein. Dann rief sie den Prüfer an, der über ihren Widerspruch zu entscheiden hatte und bat ihn um eine nähere Begründung für die Notenvergabe.
Das sächsische Justizprüfungsamt sah hierin einen unzulässigen Beeinflussungsversuch und setzte die Note der Klausur unter Abbruch des Prüfungsverfahrens nachträglich auf "ungenügend (0 Punkte)" herab.
Ihre Klage hiergegen hob das angerufene Verwaltungsgericht auf. Im Berufungsverfahren wiederum bestätigte das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Justizprüfungsamtes.
Nunmehr hat das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt. Die Entscheidung, die Klausur auf 0 Punkte herabzusetzen sei gemessen an Artikel 12 GG unverhältnismäßig. Zwar sei die unzulässige Beeinflussung für sich genommen ein zulässiges Tatbestandsmerkmal für eine solche Sanktion. Im konkreten Fall sei das Handeln der Prüfungskandidaten aber nicht geeignet gewesen, den Prüfer unzulässig zu beeinflussen, da ein Prüfer mit solch einer Situation umgehen könne.
2. Der Kontext
Die Entscheidung reiht sich in die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Prüfungsrecht ein.
Grundsätzlich ist eine Prüfungsanfechtung schwierig. Denn den Prüfern steht ein nicht unerheblich Beurteilungsspielraum zu den Fragen zur Seite, was etwa eine ungenügende oder was etwa eine sehr gute Leistung ist usw. Nur wenn die Grenzen dieses Beurteilungsspielraums überschritten werden, ist eine Prüfungsanfechtung erfolgreich.
Hier bestand die Besonderheit darin, dass es nicht um die fachliche Bewertung der Prüfungskandidatin ging. Das Prüfungsamt hat einen Umstand zum Anlass der Bewertung ungenügend genommen, der nicht an die fachliche Qualifikation, sondern an das persönliche Verhalten der Prüfungskandidatin anknüpft.
So etwas, das stellt das Bundesverwaltungsgericht klar, ist grundsätzlich zulässig. Doch bei der Anwendung solcher Regeln müssen die Prüfungsämter besondere Voraussetzungen beachten. Insbesondere muss bedacht werden, dass die Herabstufung einer Note - ohne dass es hierfür einen fachlichen Grund gibt - ein erheblicher Eingriff in die spätere berufliche Entwicklung darstellt, die durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen geschützt ist. Daher muss die Herabsetzung im Einzelfall verhältnismäßig sein.
3. Fazit
Das Bundesverwaltungsgericht hat - zumindest nach dem Anschein der Pressemitteilung hierzu - in den Mittelpunkt der Entscheidung eine Erkenntnis gestellt:
Prüfungsentscheidungen beeinträchtigen das Leben der Prüfungskandidaten über die Prüfung hinaus sehr nachhaltig. Daher sind derartige Entscheidungen anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen.
Wer also überlegt, ob eine Prüfungsentscheidung zulässig oder unzulässig ist, muss sich hierbei neben Fachfragen auch streng am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren. Hierauf wird künftig bei Prüfungsanfechtungen ein besonderes Augenmerk zu legen sein.
Dr. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt
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