(ots) - Angela Merkel will zum EM-Finale nach Kiew fahren
- vorausgesetzt, dass die deutsche Mannschaft das Endspiel erreicht.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Und so wird die
Bundeskanzlerin am kommenden Sonntag möglicherweise nur wenige Meter
von jenem Mann entfernt sitzen, der sie vor einem Dreivierteljahr
dreist belogen hat. Der ukrainische Präsident und EM-Gastgeber Viktor
Janukowitsch versprach Merkel damals, den Fall Julia Timoschenko zur
Zufriedenheit aller durch eine Amnestie zu lösen. Doch daraus wurde
nichts. Seither ist viel passiert. Timoschenko ist krank und trotzdem
in Haft. Die EU hat die Verhandlungen über eine Annäherung zwischen
Brüssel und Kiew vorerst gestoppt. Viele europäische Regierungen
boykottieren die EM-Spiele in der Ukraine. Geholfen hat es nicht.
Janukowitsch lässt Timoschenko von seinen willigen Helfern in der
Justiz mit einem Prozess nach dem nächsten überziehen. In dieser
finalen EM-Woche geht es weiter. Die EU schickt Beobachter hin, und
Merkel guckt Fußball. Es ist schwer erträglich mit anzusehen, wie der
Lügner Janukowitsch mit seinen Tricks durchzukommen scheint. Die EU
lässt sich von ihm mit Timoschenko erpressen, weil die Ukraine "zu
wichtig ist", wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagt. Recht
hat er ja, aber was ist das Ziel? Janukowitsch und die berüchtigten
milliardenschweren Oligarchen, die im Hintergrund an den Strippen
ziehen, werden nicht freiwillig von der Macht lassen. Vertreiben kann
sie nur das ukrainische Volk selbst. Es muss keine neue Revolution in
Orange sein. Aber Janukowitsch muss massenhaften Widerstand spüren.
So gesehen haben Brüssel und Berlin mit Timoschenko auf das falsche
Pferd gesetzt. Die einstige "Gasprinzessin", die ihr Land kaum
weniger ausgeplündert hat als Janukowitsch und seine Schergen, lockt
in der Ukraine keinen Demokraten hinter dem Ofen hervor. In diesem
Sinne haben die EU-Europäer auch während der Fußball-EM manche Chance
vertan. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, mit den Menschen im Land
ins Gespräch zu kommen. Die Kanzlerin in einer öffentlichen Talkrunde
mit dem oppositionellen Box-Weltmeister Vitali Klitschko vor
Studenten in Kiew. Zuvor gern auch ein Besuch an Timoschenkos
Krankenbett. Das wären Zeichen gewesen. Aber noch bleiben einige Tage
Zeit bis zum Finale.
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