Knapp zwei Jahre nach der Katastrophe der Duisburger Loveparade 2010 soll in der
nächsten Ratssitzung der Erhalt des Unglücksortes als Gedenkstätte beschlossen werden.
Die Hinterbliebenen sind laut Stadtdirektor Dr. Peter Greulich damit einverstanden, lehnen
den Entwurf jedoch ab oder kennen aktuellere Vorlagen gar nicht, während die Meinung der
Verletzten und Traumatisierten, für die die Gedenkstätte von existenzieller Bedeutung sein
kann, keinerlei Berücksichtigung findet. Was für ein Spiel spielt die Stadt Duisburg jetzt?
(firmenpresse) - Noch vor Sommerpause und dem 2. Jahrestag der Loveparade 2010 wird am Mittwoch, den
4. Juli 2012 eine öffentliche Sitzung des Duisburger Stadtrates.stattfinden: Im Rathaus
Duisburg, Ratssaal (Zi. 100) um 17:30 Uhr wird der erste Tagesordnungspunkt, die
Vereidigung des frisch gewählten Oberbürgermeisters Sören Link (SPD), ein rigoroser
Pressemagnet sein. Die restlichen Punkte dieser Sondersitzung sind eher von lokalem oder
persönlichem Interesse: zum Beispiel die Entscheidung über das Ostermann-Möbelhaus in
Meiderich, das Krieger-Möbelzentrum auf dem Gelände der "Duisburger Freiheit" sowie die
damit verbundene Gestaltung der Gedenkstätte am Unglücksort der Loveparade.
Während sich um 15 Uhr noch der Wirtschaftsausschuss mit der Frage befassen wird,
warum Kurt Krieger mit seinem Möbelhaus Höffner entgegen aller öffentlich
geäußerten
Bedenken der Industrie- und Handelskammer (IHK) 20% seiner ausgewiesenen
Verkaufsflächen mit Randsortiment bestücken darf, während sich die Konkurrenz mit der
Hälfte zufrieden geben muss, so soll in der oben genannten Sondersitzung der
Bebauungsplan Nr. 1129 - Dellviertel - "Duisburger Freiheit" beschlossen werden. Möbel
Höffner soll im November 2013 eröffnet werden. Darin eingezeichnet ist auch der Erhalt des
historischen Orts der Katastrophe als Gedenkstätte, die konkret im Entwurf die Öffentlichkeit
nicht kennt. Man spricht hinter vorgehaltener Hand vom "Kaskadenplan": Dies meint ein auf
70 Quadratmeter eingeschränktes Loch mit sechs Meter hohen Wänden. Eine einst von
Krieger favorisierte Lösung, die leicht abgewandelt wird: Anstelle der Treppe solle diese
kaskadenförmig auslaufen. Dies gebe dem Ganzen zumindest einen gefühlten Freiraum.
Wir erinnern uns: Im Vorfeld unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführte
Verhandlungsgespräche zwischen Krieger und Angehörigen werden einseitig als gescheitert
erklärt. Krieger wählt als auschließlichen Ansprechpartner die Stadt Duisburg; die wird
vertreten durch Stadtdirektor Dr. Peter Greulich. Die Seite der Hinterbliebenen wird vertreten
durch den Verein Loveparade Selbsthilfe e.V. Öffentlich sind die Planungen unverändert seit
dem 14. Juli 2011. Ãœber einen langen Zeitraum herrscht Funkstille, bis im Terminkalender
der Stadt Duisburg die oben angegebene Sitzung mit Tagesordnungspunkt 5 auftaucht.
Die WAZ schreibt am 28. Juni 2012: "In der Beschlussvorlage für die Politiker heißt es: "Mit
der Festsetzung im Bebauungsplan ist allein die planungsrechtliche Zulässigkeit der
Errichtung einer Gedenkstätte bzw. der Erhalt der vorhandenen baulichen Anlagen gesichert.
Eine Gestaltung ist mit dieser Festsetzung jedoch nicht festgeschrieben. Diese kann im
weiteren Dialog zwischen dem Eigentümer und den Angehörigen und Verletzten erfolgen und
sich somit weiter verändern." Wäre da nicht der Schönheitsfehler, dass Krieger mit den
Angehörigen nicht verhandeln will und Greulich sein Amt mit Amtseintritt des neuen OB
aufgeben wird. Letzterer weiß von nichts. Würden am 4. Juli 2012 die Ratsmitglieder
Greulich Glauben schenken, Angehörige und Verletzte seien mit diesem Entwurf zufrieden,
wäre die Chance auf eine spätere Abänderung gleich Null und die Überbauung garantiert.
Genau diese Vorgehensweise kennen wir alle aus dem Genehmigungsverfahren der
Loveparade 2010. In der letztmöglichen Ratssitzung vor der Loveparade hieß es seitens OB
Sauerland: Die Stadt bräuchte sich finanziell nicht zu beteiligen, er habe Sponsoren
aufgetan. Und spontan stimmte der Rat dem Beschluss einstimmig zu. Greulich hat gelernt,
wie Einstimmigkeit erzielt werden kann. Der Weg dahin ist ein ganz alter Stil, schlechter Plan
und trotzdem: echt Duisburg.
Zitat: Klaus-Peter Mogendorf als Hinterbliebener: "die Bauart ist offen, aber erst nach langen
Kampf, die Größe entspricht den Vorstellungen von Herrn Krieger und ist mit keinem
Angehörigen oder Betroffenen verhandelt worden. Es wird nur diktiert und gelogen." (1)
Greulichs Aussage gipfelt bis einschließlich Donnerstagabend darin, Vertreter der
Angehörigen würden den Entwurf kennen und seien damit einverstanden. Fakt: Von uns
befragte Betroffene kannten ihn und waren damit definitiv nicht einverstanden oder sie
kannten ihn gar nicht. Von deren Einverständnis sollen aber die Ratsmitglieder überzeugt
werden, damit der Rat ruhigen Gewissens diese unbrauchbar vollverpflasterte Variante der
im städtischem Grünanlagenbereich befindlichen Gedenkstätte in spe beschließt.
Ein Politiker, der dermaßen ignorant die Fäden im Hinterzimmer zieht, dem entgeht schon
mal, dass reges Interesse am Erhalt des Unglücksortes besteht, realisierbare Entwürfe zur
Diskussion gestellt werden und Krieger keineswegs für die Mehrkosten alleine aufkommen
müsste.
Der Wunsch, die Symbolik politischen Unvermögens eines OB Sauerland versenken zu
wollen, ist durchaus nachvollziehbar, aber unbedeutend im Verhältnis zum real existierenden
Bedarf seiner Opfer. Es besteht kein Grund 21 Familien, über 500 Verletzten und tausenden
von Traumatisierten auf Lebenszeit die Chance zu nehmen, sich am Ort des Geschehens
adäquat mit dem Erlebnis auseinanderzusetzen. Es hat eher etwas von "Trauer verboten",
"Heilung eingestellt", "Zukunft unmöglich". Genau die sollte aber mit einem neuen OB in
Duisburg wieder möglich sein. Wenn die Art und Weise der Beschlussfassung im Rat der
Stadt Duisburg die alte bleibt, indem getrickst wird, Bürger unbeteiligt bleiben und tausende
von Betroffenen aus aller Herren Länder übergangen werden, dann hätte man sich die ganze
Abwahl von OB Sauerland schenken können. Dann ist der nämlich wirklich das, als was er
sich selbst bis zuletzt in den Medien präsentiert hat: auch nur ein Opfer von vielen der
Loveparade 2010.
Appell:
Die Überlebenden der Loveparade-Tragödie 2010 appellieren daher an alle Ratsmitglieder
der Stadt Duisburg:
- beschließen Sie den Bebauungsplan Nr. 1129 - Dellviertel - "Duisburger Freiheit" nicht,
denn weder die dafür ausgewiesene Fläche noch die intern angedachte Gestaltung
entsprechen dem Erhalt des historischen Ortes als Gedenkstätte, mit der Betroffene leben
können.
- verschieben Sie den Tagesordnungspunkt 5 auf einen späteren Termin und lassen sie
Angehörigen und Verletzten über einen Loveparade-Delegierten die Chance, ein neues
Konzept vorzustellen, von dem alle Beteiligten - einschließlich die Stadt Duisburg und Möbel
Höffner nur profitieren können.
Es gibt einen Neuanfang für Duisburg. Man muss ihn nur machen.
Hintergrund:
Bei der Duisburger Loveparade am 24. Juli 2010 waren in der Menschendichte an der
Rampe 21 junge Menschen ums Leben gekommen, über 500 Menschen wurden zum Teil
schwer verletzt. Bis heute ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 Beschuldigte aus den
Reihen der Stadtverwaltung, des Veranstalters und der Polizei. Bislang ist keine Anklage
erhoben worden.
BI Gegen das Vergessen Lopa 2010
Dirk Schales
Kremerstr. 51a
47051 Duisburg
Telefon: 0203-39204813
E-Mail: Zebra1968(at)freenet.de
Sprecher der Ãœberlebenden:
Jörn Teich
0176 / 313 409 64
V. i. S. d. P.:
BI Gegen das Vergessen LoPa 2010
Gaby Simon-Schmidt
Mobil: 49 (0) 172 57 330 57
Telefax: 49 (0) 30 484 981 245