(ots) - Eile mit Weile. Nach dieser Lebensweisheit wollen
Deutschlands höchste Richter verfahren, wenn sie in den nächsten
Wochen den "Eilantrag" zur Verfassungsmäßigkeit von
Euro-Rettungsschirm ESM und Fiskalpakt (Schuldenbremse) prüfen. Sie
sind gut beraten, sich trotz der offenkundigen Eilbedürftigkeit und
der Bitte der Bundesregierung um möglichst schnelle Klärung Zeit zu
nehmen. Denn die Hüter des Grundgesetzes sind wieder aufgerufen, über
Grundsätzliches zu entscheiden. Es wird mitbestimmend sein für
Europas Weg in eine gemeinsame Zukunft wie für den Parlamentarismus
in Deutschland. Eilanträge werden gewöhnlich in weit kürzeren Fristen
vor dem endgültigen Urteil beschieden. Das hätte im konkreten Fall
dramatische Folgen haben können, wenn nämlich die Richter unter
Zeitdruck im vorläufigen Entscheid anders urteilen als nach
reiflicher Beratung im Letzturteil. Die Euro-Schuldnerländer wären
als Spekulationsopfer verschärft der Gier der Finanzmärkte
ausgesetzt, die Bundestagsabgeordneten andererseits hätten weiter
darüber gerätselt, welche parlamentarischen Rechte ihnen nach all den
Euro-Rettungsbemühungen tatsächlich verbleiben. Das
Bundesverfassungsgericht begründet seine abweichende Verfahrensweise
denn auch damit, dass es sich um einen "herausragenden politischen
Verhandlungsgegenstand" handele. Konkret: Auf der europäischen Ebene
geht es um die Rettung von Euro und gemeinsamer Währungszone sowie
letztlich um das Gewicht Europas auf dem politischen wie
wirtschaftlichen Weltmarkt. Innenpolitisch steht mit dem Budgetrecht
das Königsrecht der Parlamentarier auf dem Spiel. Aus
nachvollziehbaren Gründen nämlich fürchten Abgeordnete aller
Parteien, dass die Hoheit des Bundestags, über den Jahreshaushalt zu
entscheiden und damit die Regierung zu kontrollieren, durch immer
weniger durchschaubare, aber immer mehr Euro-Beschlüsse ausgehöhlt
wird. Und es wird wohl auch um Angela Merkels Zukunft gehen. Sollten
die Richter dem Rettungsschirm eine Absage erteilen, wäre der gute
Ruf der Kanzlerin als Krisenmanagerin ebenso dahin wie ihre Chancen
im Wahljahr 2013. Aus all dem folgt: Der Karlsruher Zwischenbescheid
am 12. September dürfte dem endgültigen Urteil sehr nahe sein. Die
gestrige Ankündigung der Richter überrascht nicht. Sie hat sich
bereits bei der Anhörung Anfang Juli angedeutet, ohne dass dies schon
ein Indiz für das Urteil ist. Was es für die Abgeordneten bedeutet,
auf mehr Mitsprache bei der Euro-Rettung zu pochen, bekommen sie
übrigens am Donnerstag zu spüren. Sie müssen aus dem Urlaub zu einer
Sondersitzung nach Berlin eilen. Das haben sie den
Verfassungsrichtern zu verdanken. Die hatten ihnen in einem früheren
Urteil Mitsprache zugebilligt, sobald Deutschland über neue Tranchen
aus dem Euro-Rettungsschirm zu entscheiden hat. In zwei Tagen geht es
um den Hilfskredit über 100 Milliarden Euro, den Spanien für seine
Banken braucht. Den Abgeordneten und dem Euro sei gewünscht, dass es
die einzige Sondersitzung bleibt. In unser aller Interesse.
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