(ots) - Wladimir Putin und das von ihm gelenkte russische
System haben ihr wahres Gesicht gezeigt. Der Schuldspruch gegen die
drei Sängerinnen der Punkband Pussy Riot zeugt davon, dass
Meinungsfreiheit als verbrieftes Menschenrecht in Putins Reich nichts
gilt. Rechtsstaat und Demokratie, in Russland ohnehin zarte
Pflänzchen nach Zaren- und Sowjetherrschaft, verwelken lange vor der
ersten Blüte. Dem Recht wieder zum Recht zu verhelfen versprach der
studierte Jurist und frühere Geheimdienstler Putin, als er vor zwölf
Jahren die Macht ergriff. Der einstige Bundeskanzler Gerhard Schröder
sah in seinem Freund Wladimir gar einen "lupenreinen Demokraten".
Längst hat er sich als lupenreiner Autokrat dekuvriert. Große
Hoffnungen nach dem Ende des Kalten Krieges und der Annäherung an den
Westen sind verblichen; tiefe Enttäuschung, auch Sorge machen sich
breit. Gewiss, es war eine gezielte Provokation der drei jungen
Frauen, als sie in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, dem
zentralen Gotteshaus der Russisch-Orthodoxen Kirche, ihr Punkgebet
inszenierten, in dem sie Putin zum Teufel wünschten. Sie aber deshalb
mehrere Jahre in ein Arbeitslager zu stecken, das erinnert fatal an
düstere, überwunden geglaubte Sowjetzeiten. Dass auch dieser Prozess
- wie schon frühere - politisch aus dem Kreml gesteuert wurde, daran
gibt es kaum Zweifel. Ebenso wenig an der unheiligen Allianz zwischen
Kreml und Kirche. Da hat sich eine Machtkungelei zwischen zwei
Institutionen entwickelt, die ihren Autoritätsanspruch von niemandem
ernsthaft hinterfragen lassen. In einer so dominierten Gesellschaft
haben Oppositionelle und Bürgerrechtler keine Chance. Wer es dennoch
wagt, setzt - wie jetzt die drei jungen Frauen - seine Freiheit aufs
Spiel. Und das Fatale: Besserung ist nicht in Sicht. Putins
verschärfter Kurs mit gerade beschlossenen härteren Gesetzen gegen
Demonstranten und ausländische Stiftungen - deren Mitarbeiter als
Agenten diffamiert werden -, die Rückkehr des beliebig verwendbaren
Tatbestands "Verleumdung" ins Strafgesetzbuch werden von der Mehrheit
der Russen ebenso goutiert wie das selbstbewusste, konfrontative
Auftrumpfen auf der Weltbühne. Da kann der Westen noch so viel
protestieren: Putin ist der beliebteste Politiker im Lande.
Angesichts des Richterspruchs gegen Pussy Riot vor dem Hintergrund
der Putinschen Autokratie muss sich auch die Bundesregierung fragen,
wie sie mit einem solchen Russland umgehen will. Ist etwa der von
Berlin und Moskau begründete Petersburger Dialog noch sinnvoll, wenn
dieses offene Diskussionsforum zur Förderung der Verständigung
zwischen den Zivilgesellschaften durch Putins Politik ad absurdum
geführt wird? Schon seit Jahren sitzen auf russischer Seite nur noch
Kreml-Getreue. Als dies jetzt ein deutscher Teilnehmer kritisierte,
hielt ihm Moskau vor, gegen Grundsätze des Völkerrechts zu verstoßen.
Da wird jeder Dialog über Demokratie, Zivilgesellschaft und
Bürgerrechte zur Farce.
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