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EKD legt Studie zu Biopatenten und Ernährungssicherung vor
"Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist"

ID: 713386

(ots) - Die Frage der Patentierbarkeit von Pflanzen und
Tieren beschäftigt nach wie vor deutsche und europäische
Institutionen und Unternehmen. Mitte August 2012 zog das Europäische
Patentamt ein bereits erteiltes Patent auf eine bestimmte
Tierzuchtmethode zurück. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
legt jetzt eine Studie der Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD
zu diesem Thema vor. Sie wird heute unter dem Titel "Die Erde ist des
Herrn und was darinnen ist. Biopatente und Ernährungssicherung aus
christlicher Perspektive" als Nr. 115 in der Reihe EKD-Texte
veröffentlicht.

"Beim Thema Biopatente geht es um weitreichende ethisch-moralische
Entscheidungen", betont der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider. Aus Sicht
einer sozio-ökonomischen und ökologischen Folgeabschätzung spreche
nur wenig für Biopatente bei Pflanzen und Tieren. "Bei Biopatenten
geht es auch um grundsätzliche Gerechtigkeitsfragen", so der
EKD-Ratsvorsitzende. "Wenn zum Beispiel Saatgut patentiert wird,
droht eine Monopolisierung der Nahrungsgrundlagen." So hatten im Jahr
2009 am internationalen Saatgutmarkt zehn Unternehmen bereits einen
Weltmarktanteil von 73 Prozent. Die drei führenden
Saatzuchtunternehmen kontrollierten 85 Prozent der Patente auf
gentechnisch veränderten Mais und 70 Prozent der sonstigen Patente
auf transgene Pflanzen in den USA.

Patente als eine Form von geistigen Eigentumsrechten werden nicht
nur für technische Erfindungen, sondern seit den 1980er Jahren auch
auf Lebewesen und deren Bestandteile erteilt. Ein wesentliches
Regelwerk für Biopatente in Europa stellt die "Europäische
Biopatentrichtlinie" von 1998 dar, die klare Grundlagen für die
Patentierung von Lebewesen festschreiben soll. "Mehr als zehn Jahre
Erfahrung mit der Europäischen Biopatentrichtlinie zeigen jedoch," so




Nikolaus Schneider, "dass befürchtete Auswirkungen der Erteilung von
Patenten auf Pflanzen und Tiere eingetreten sind: Es werden auch
Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt, die nicht gentechnisch
verändert wurden. Die Vielfalt an Saatgut und Tierrassen nimmt ab.
Landwirtschaftliche Forschung und Zucht werden behindert.
Traditionelles Wissen wird durch Biopiraterie privatisiert. Die
Ernährungssicherheit für Menschen wird nicht gefördert, sondern noch
stärker gefährdet und eingeschränkt."

Aufgrund dieser Erfahrungen der vergangenen Jahre habe sich die
EKD herausgefordert gese-hen, sich vertieft mit Biopatenten
auseinander zu setzen. In christlicher Perspektive ist Gott der
Schöpfer allen Lebens. Im alttestamentlichen Erfahrungskontext hat
dies der Psalmist so be-kannt: "Die Erde ist des Herrn und was
darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen" (Psalm 24,1). Auf
dieser Grundlage entfaltet die Kammer der EKD für nachhaltige
Entwicklung, die den Text erarbeitet hat, vor allem die
Gesichtspunkte der Schöpfungsgerechtigkeit, des Rechtes auf Nahrung
und des Schutzes traditionellen Wissens:

Menschen haben ihren Umgang mit der Schöpfung vor Gott zu
verantworten. Ihnen sind die Gaben der Schöpfung - Gene, lebende
Materie bis hin zu den Lebewesen - glei-chermaßen geschenkt, um davon
zu leben. "Da durch Biopatente eine exklusive Verfü-gung über
pflanzliches und tierisches Leben stattfindet und infolgedessen
Artenvielfalt und Ernährungssicherung deutlich eingeschränkt werden,
ergeben sich für die Kirche grundlegende kritische Anfragen an die
Erteilung von Biopatenten. Zu fragen ist, wie Biopatente mit dem
Schöpfungsauftrag zu vereinbaren sind, die Gaben der Schöpfung so zu
bewahren und zu nutzen, dass sie allen zu Gute kommen. Aus
christlicher Sicht wäre daher folgende Einstellung zu Biopatenten
angemessener: nämlich der freiwillige und dankbare Verzicht auf die
Patentierung biotechnischer Erfindungen und die Frei-Gabe von
Innovationen im Bereich der Biologie als Gemeinbesitz." (S. 92)

Wo die Einführung von Biopatenten zu
Monopolisierungstendenzen auf dem Saatgut-markt beitragen, lokale
Sorten verdrängt werden und Bauernfamilien in ihrer Region
möglicherweise den Zugang zu nichtpatentiertem Saatgut verlieren und
sich die Kosten für patentiertes Saatgut nicht leisten können, kann
dies Auswirkungen auf die Ernährung und damit auf die Wahrnehmung des
Menschenrechtes auf Nahrung haben. (S. 83)

Aus einer gerechtigkeitsethischen Perspektive heben
Biopatente den Schutz traditionellen Wissens auf und stellen das
Verständnis von biologischer Vielfalt als globales Gemeingut in
Frage. "Wer genetische Ressourcen und traditionelles Wissen indigener
Völker nutzt und sich eine darauf beruhende Erfindung ohne deren
vorherige informierte Zustimmung patentieren lässt, missachtet ihr
Recht, über ihr Wissen und ihre Ressourcen zu verfügen. Um dieses
Menschenrecht angemessen juristisch einfordern zu können, ist die
Einrichtung eines Mechanismus erforderlich, der indigenen Völkern
eine Klagemöglichkeit gegen Biopatente eröffnet." (S. 55)

Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Gesichtspunkte empfiehlt
die Studie in ihrem Schluss-kapitel: Um die derzeitigen negativen
Auswirkungen des Patentwesens möglichst stark zu mini-mieren und die
Erteilung von Biopatenten nur unter Einhaltung strengster Kriterien
zu ermögli-chen, sollten juristische und institutionelle Reformen im
Patentwesen ins Auge gefasst werden. Dies könnte zu einem gerechteren
Vorteilsausgleich zwischen Patentanmelder und Gesellschaft beitragen.
Noch besser als solche Reformen wäre es jedoch, statt der
Biopatentierung das klas-sische Sortenschutzrecht anzuwenden. Es
sieht Privilegien für Landwirte, Züchter und Forscher vor, die dazu
beitragen sollen, dass Innovationen im Bereich der Pflanzenzucht
sowie der Zu-gang zu Saatgut nicht übermäßig behindert werden. "Das
klassische Sortenschutzrecht weist im Vergleich zum Patentrecht ein
höheres Potenzial auf, den Interessen von Kleinbauern, der ländlichen
Entwicklung und dem Erhalt der Agrobiodiversität zu dienen. Hierdurch
wird der Schutz traditionellen Wissens gewährleistet und die
Sicherung der Ernährung verbessert." (S. 93)

Hannover, 4. September 2012

Pressestelle der EKD

Silke Römhild

Hinweis:

Der EKD-Text 115 "Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist.
Biopatente und Ernährungssicherung aus christlicher Perspektive. Eine
Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung" ist zum Preis
von EUR 1,60 zu beziehen bei: Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße
12, 30419 Hannover, Fax: 0511/2796-457, E-Mail: versand(at)ekd.de. Er
ist auch nachzulesen im Internet unter:
http://www.ekd.de/EKD-Texte/2059.html



Pressekontakt:
Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: reinhard.mawick(at)ekd.de


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