(ots) - Mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem 
Festakt haben heute die evangelische und die katholische Kirche in 
Deutschland den Beginn ihrer Zusammenarbeit mit der Bundesregierung 
in der Entwicklungsarbeit vor 50 Jahren gewürdigt. Seit 1962 setzen 
sich die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE), die 
Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) und das 
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 
(BMZ) gemeinsam dafür ein, die Situation der Armen und 
Benachteiligten in der Welt zu verbessern. An dem Gottesdienst in der
St. Elisabeth-Kirche in Bonn nahmen unter anderem Bundespräsident 
Joachim Gauck und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel teil, sowie 
der Vorsitzende der EZE, Prälat Bernhard Felmberg, und der 
Vorsitzende der KZE, Prälat Dr. Karl Jüsten.
   In seiner Eröffnungsansprache während des Gottesdienstes erinnerte
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. 
Robert Zollitsch, daran, dass der Entwicklungsdienst der Kirchen - 
ebenso wie die Entwicklungspolitik des Staates - allen Menschen 
gelte: "Nationalität, Herkunft, Religion sind keine 
Begrenzungskriterien für unsere Solidarität. Allein die Bedürftigkeit
zählt. Denn alle Menschen sind geliebte Geschöpfe des himmlischen 
Vaters." Wenn der gemeinsame Dienst Menschen zu Selbständigkeit und 
Eigenverantwortlichkeit befähigen solle, dann setze dies neben 
fachlicher auch moralische Kompetenz voraus. "Kirchliche 
Entwicklungsarbeit nimmt für sich in Anspruch und muss sich daran 
messen lassen, dass sie aus der Kraft des Evangeliums handelt und von
menschlichem Mitfühlen und Mitleiden inspiriert ist", so Zollitsch. 
"Es ist für uns Kirchen keine Festtagsrhetorik, wenn wir sagen: Die 
Armen selbst müssen Träger der sozialen und wirtschaftlichen 
Entwicklung sein. Voraussetzungen dafür zu schaffen und Hindernisse 
zu beseitigen, das ist die Aufgabe staatlicher Politik und 
kirchlicher Entwicklungsarbeit. Unsere Solidarität will Menschen 
befähigen, das eigene Leben und das Leben ihrer Gemeinschaften 
selbstständig zu gestalten. Sie darf nie dazu führen, dass Menschen 
zu ewigen Schutzbefohlenen werden. Unser Handeln muss subsidiär 
sein."
   Das betonte auch der Vorsitzende des Rates der Evangelischen 
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider. "Wir wissen 
aus 50 Jahren Erfahrung, dass die Armen die Kraft, den Mut, die 
Kreativität und den Willen besitzen, ihr Leben, ihr Umfeld und ihre 
Gesellschaft zu gestalten. Dabei wollen wir sie unterstützen. Der 
Mensch und seine eigene Handlungsfähigkeit stehen für uns immer im 
Zentrum unserer Förderung." Dieser Grundgedanke drohe leider immer 
mehr, in der Entwicklungszusammenarbeit verloren zu gehen. "Unter dem
Diktat von Effizienz, Geberabsprachen und Ergebnisorientierung wird 
allzu leicht aus dem Auge verloren, dass die Armen den notwendigen 
Freiraum für ihre eigene Gestaltung und eigene Ideen haben müssen, 
wenn sie nachhaltig ihr Leben verändern wollen."
   Erzbischof Zollitsch würdigte das Verhältnis der katholischen und 
der evangelischen Zentralstelle zum Entwicklungsministerium, das von 
Anfang an vom Prinzip der Partnerschaft und gegenseitiger Achtung 
geprägt gewesen sei: "Es gibt eine hohe Kooperationsbereitschaft, 
weil wir uns gemeinsamer Ziele verpflichtet wissen. Alle 
Bundesminister und Bundesministerinnen, die für das 
Entwicklungsressort zuständig waren, bemühten sich um Dialog, um 
engen Kontakt und effiziente Zusammenarbeit. Das hat den Kirchen und 
dem Staat gleichermaßen genutzt. Dankbar dürfen wir auf eine 
erfolgreiche Lernpartnerschaft zwischen dem Bundesministerium für 
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den beiden 
kirchlichen Zentralstellen zurückblicken." Von Beginn an habe sich 
gezeigt, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden 
Kirchen ist: "Das gemeinsame Auftreten der beiden Zentralstellen 
gegenüber Bundesregierung und Parlament war immer ihr Markenzeichen. 
Das ist gelebte Ökumene."
   Präses Schneider fügte in seiner Predigt hinzu, dass es manchmal 
gerade der Glauben der Armen sei, der daran erinnere, dass Gottes 
Kraft größer ist als die strukturelle Gewalt ungerechter 
Wirtschaftssysteme. Im Namen Jesu könnten auch vorgebliche Sachzwänge
außer Kraft gesetzt werden. "Gottes Heilshandeln hat den Körper und 
die Seele des Menschen im Blick. Darum hat Jesus Christus zu den 
Menschen nicht nur vom Reich Gottes gesprochen. Jesus Christus hat 
die Menschen das Reich Gottes auch mit ihren körperlichen Sinnen 
erfahren lassen. Er machte gesund, die der Heilung bedurften und er 
schenkte ihnen mit dem Speisungswunder leibliche Nahrung im 
Überfluss." Mitmenschlichkeit und solidarisches Teilen dürften nicht 
nur leere Worthülsen sein. "Das Gottesgeschenk der 
Gottebenbildlichkeit ruft und befähigt uns Menschen zu Kreativität 
und Freiheit, um Verantwortung zu übernehmen für uns und für unsere 
Mitmenschen, für unsere Welt und für das von Gott geschaffene 
Universum. Gott will uns die Kraft schenken, Recht und Gerechtigkeit 
auf unserer Welt erfahrbar zu machen!"
   Hannover/Bonn, 6. September 2012
   Pressestelle der EKD
   Silke Römhild
   Es gilt das gesprochene Wort!
   Predigt des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in 
Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider über Lukas 9, 10 - 17 im
Ökumenischen Gottesdienst am 06.09.2012, 10 Uhr in der Kirche St. 
Elisabeth in Bonn
   50 Jahre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen Staat und 
Kirche "Vertrauen auf die Kraft der Armen"
   "Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge
sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen 
allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als die Menge das 
merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen
vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber 
der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und 
sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und 
Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der
Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie 
sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei
denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen.
Denn es waren etwa 5000 Mann; Er aber sprach zu seinen Jüngern: Lass 
sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und 
ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische 
und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern,
damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt. Und
es wurden aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe 
voll."
   Liebe Gemeinde! Eine Geschichte, die der jüdische Theologe und 
Philosoph Martin Buber uns überliefert hat, erzählt:
   "Rabbi Bunam nämlich sagte zu seinen Schülern: Jeder von euch muss
zwei Taschen in seiner Jacke haben, um bei Bedarf in die eine oder in
die andere greifen zu können. In der einen Tasche liegt ein Zettel, 
auf dem steht: 'Das Universum ist um deinetwillen geschaffen.' Auf 
dem Zettel in der anderen Tasche steht: 'Du bist Staub und Asche.'"
   Manchmal scheint es mir, dass viele von uns nur einen dieser 
beiden Zettel bei sich tragen. Denn unsere Welt leidet daran, dass 
Menschen eine der beiden  Botschaften verabsolutieren. Unsere Welt 
leidet, wenn einzelne Menschen sich in all ihrem Tun und Lassen nur 
auf sich selbst konzentrieren. Wenn sie sich zum Maß aller Dinge 
machen - zum "master of the universe". Wenn Mitmenschlichkeit und 
solidarisches Teilen für sie nur leere Worthülsen sind.
   Aber unsere Welt leidet auch, wenn Menschen ihre 
Bedeutungslosigkeit und ihre Ohnmacht verabsolutieren. Wenn sie kein 
Zutrauen haben zu sich selbst und zu anderen Menschen. Wenn sie sich 
stumm und tatenlos der Armut und dem Unrecht auf dieser Welt 
ausliefern.
   Die Heilige Schrift will uns Menschen die Botschaften beider 
Zettel in unsere Herzen schreiben: Zum einen: Wir Menschen können die
Differenz zwischen Gott, dem Schöpfer und Herrn des Lebens, und uns 
Menschen, seinen Geschöpfen, niemals von uns aus überbrücken. Wir 
Menschen haben mit unserer "Natur" Teil hat an der Vergänglichkeit 
alles Geschaffenen. Wir sind Staub und Asche.
   Zum anderen aber: Das Gottesgeschenk der "Gottebenbildlichkeit" 
ruft und befähigt uns Menschen zu Kreativität und Freiheit, um 
Verantwortung zu übernehmen für uns und für unsere Mitmenschen, für 
unsere Welt und für das von Gott geschaffene Universum. Gott will uns
die Kraft schenken, Recht und Gerechtigkeit auf unserer Welt 
erfahrbar zu machen! Darum ist das Universum um unseretwillen 
geschaffen.
   Beide Botschaften der Zettel gehören zusammen - so wie die 
menschlichen Reaktionen darauf:  Demut und Ehrfurcht vor Gott und 
Vertrauen auf Gottes Kraft, die in uns wirksam wird. Jesus Christus 
hat in diesem Vertrauen gelebt und er hat in diesem Vertrauen Wunder 
getan. Und Jesus Christus hat dieses Vertrauen seinen Nachfolgern 
weitergeschenkt.
   Im Auftrag Jesu und im Vertrauen auf die Kraft Gottes waren die 
zwölf Apostel ohne Jesus von Dorf zu Dorf gezogen. Sie hatten den 
Menschen im Namen Jesu "das Reich Gottes gepredigt" und sie hatten 
viele Menschen von "bösen Geistern" und Krankheiten geheilt. Jetzt 
kommen sie zurück und erzählen Jesus "wie große Dinge sie getan 
hätten."
   Und dann werden sie erneut Zeugen, wie Jesus den Menschen Nahrung 
für den Leib und für die Seele gibt.
   Jesus weiß, dass Menschen nicht nur geistige und geistliche Speise
brauchen, sondern dass auch ihr Körper nach Nahrung verlangt. Damals 
galt und heute gilt: Die Armen, die Hungernden und die Entrechteten 
dieser Welt dürfen um Gottes willen nicht allein mit frommen Worten 
"abgespeist" werden.  Gottes Heilshandeln hat den Körper und die 
Seele des Menschen im Blick.
   Darum hat Jesus Christus damals zu den Menschen nicht nur "vom 
Reich Gottes gesprochen". Jesus Christus hat die Menschen das Reich 
Gottes auch mit ihren körperlichen Sinnen erfahren lassen. Er machte 
"gesund, die der Heilung bedurften" und er schenkte ihnen mit dem 
Speisungswunder leibliche Nahrung im Überfluss: "Da nahm er die fünf 
Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie 
und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen 
und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken 
übrig ließen, zwölf Körbe voll."
   Menschen damals und Menschen heute können sich darauf verlassen, 
dass sie mit ihrer Seele und mit ihrem Körper auf Gottes Verheißungen
trauen können.  Christlicher Glaube ist mehr als eine ästhetisch 
schöne Sonntagsliturgie.
   Manchmal ist es gerade der Glaube der Armen, der uns daran 
erinnert, dass Gottes Kraft größer ist als die strukturelle Gewalt 
ungerechter Wirtschaftssysteme. Und dass im Namen Jesu auch vertraute
Logik und vorgebliche Sachzwänge außer Kraft gesetzt werden können.
   Vertrauen auf Gott war für Jesus Christus und ist bis heute für 
seine Nachfolger und Nachfolgerinnen auch das Vertrauen auf die Kraft
Gottes, die in den Schwachen und Armen wirksam ist.
   Menschen, die in der Nachfolge des Gekreuzigten und Auferstandenen
leben, lassen sich nicht von dem augenscheinlich Wenigen, das sie 
haben, entmutigen. Sie sind Staub und Asche, aber sie heben ihre 
Augen "auf zum Himmel". Sie danken Gott. Er hat in Jesus Christus 
sein ewiges Reich untrennbar mit unserer irdischen Wirklichkeit 
verbunden.  Im Vertrauen auf den Schöpfer, der das Universum zum Wohl
aller seine Geschöpfe geschaffen hat, teilen sie Gottes Gaben,  
sättigen andere und werden selbst satt - an Leib und Seele!
   Dazu helfe Gottes Geist den Menschen dieser Welt, den Reichen und 
den Armen!
   Amen
   Eröffnungsansprache des Vorsitzenden der Deutschen 
Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, anlässlich des 
Ökumenischen Gottesdienstes 50 Jahre entwicklungspolitische 
Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche am 6. September 2012 in Bonn
"Vertrauen auf die Kraft der Armen"
   Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes 
und des Heiligen Geistes. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die
Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei
mit euch. Von Herzen heiße ich Sie alle willkommen zu unserem 
ökumenischen Gottesdienst im dankbaren Gedenken an die 50 Jahre 
währende fruchtbare entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen 
Staat und Kirche. Meine besonderen Grüße gelten Ihnen, verehrter Herr
Bundespräsident, Ihnen, werter Herr Staatssekretär Beerfeltz, Ihnen 
Herr Ratsvorsitzender, lieber Bruder Schneider, und Ihnen, Frau 
Richardson, und ebenso Ihnen, lieber Mitbruder Erzbischof Ignatius. 
Ich weiß es zu schätzen, dass Sie, verehrte Schwestern und Brüder, 
unserer Einladung zu diesem ökumenischen Gottesdienst gefolgt sind, 
und begrüße Sie herzlich - alle Mitwirkenden und ebenso alle 
Anwesenden. 50 Jahre Entwicklungszusammenarbeit von Kirche und Staat,
50 Jahre Evangelische und Katholische Zentralstelle für 
Entwicklungshilfe - das ist ein guter Grund für einen ökumenischen 
Gottesdienst. Denn was aus dem Geist der Menschlichkeit erwachsen ist
und so lange Bestand und Erfolg hat, weckt Dankbarkeit und verdient, 
gewürdigt zu werden. Jubiläen sind Anlässe, sich zu vergewissern. So 
fragen wir uns: Welche Orientierung können wir Christen angesichts 
der aktuellen Herausforderungen anbieten? Welche Begründungen liefern
wir für die kirchliche Praxis der Entwicklungsarbeit? Und welche 
spezifischen Zielsetzungen verfolgen wir? Als Christen schauen wir zu
allererst auf Jesus Christus: Der Entwicklungsdienst der Kirchen 
entspringt aus der Mitte unseres Glaubens. Der Herr der Kirche selbst
ruft uns zu Nächstenliebe und Solidarität. Er ruft uns zum Dienst an 
den Menschen, die an Armut, Hunger und Unrecht leiden. Gerade den 
Armen, Leidenden, Ausgestoßenen und Zu-kurz-Gekommenen hat Jesus sich
zugewandt. Zu solcher Zuwendung sind auch wir Christen eingeladen und
verpflichtet. Denn es ist uns verheißen, dass wir Christus in seinen 
geringsten Schwestern und Brüdern begegnen werden. Das ist es, was 
die Kirchen als "Option für die Armen" bezeichnen. Der 
Entwicklungsdienst der Kirchen gilt - ebenso wie die 
Entwicklungspolitik des Staates - allen Menschen. Nationalität, 
Herkunft, Religion sind keine Begrenzungskriterien für unsere 
Solidarität. Allein die Bedürftigkeit zählt. Denn alle Menschen sind 
geliebte Geschöpfe des himmlischen Vaters. Alle sind seine Söhne und 
Töchter Gottes. Wenn unser gemeinsamer Dienst Menschen zu 
Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit befähigen soll, dann 
setzt dies neben fachlicher auch moralische Kompetenz voraus. 
Kirchliche Entwicklungsarbeit nimmt für sich in Anspruch und muss 
sich daran messen lassen, dass sie aus der Kraft des Evangeliums 
handelt und von menschlichem Mitfühlen und Mitleiden inspiriert ist. 
Sie erwächst aus der Liebe Gottes und macht den anderen die Kraft 
dieser Liebe erfahrbar. Das ist ihre gnadentheologische Grundlegung. 
Die Verkündigung von Papst Benedikt XVI. weist zu Recht immer wieder 
darauf hin, dass die soziale Arbeit von der Zuwendung des Herzens 
geprägt sein muss, Herzensbildung darstellt. Hier ist ein Spezifikum 
des Christlichen auch im Kontext der Entwicklungsarbeit angesprochen.
Es ist eine genuine Zielsetzung und sozialethische Verpflichtung 
kirchlicher Entwicklungsarbeit Menschen zur Selbsthilfe zu befähigen.
Wir alle wissen: Unsere Hinwendung zu den Armen gerät nur allzu 
leicht in Gefahr, paternalistische Züge anzunehmen. Als Kinder des 
Westens, der in den vergangenen Jahrhunderten so große Erfolge in 
Politik, Wirtschaft und Technologie erzielt hat, vertrauen wir gerne 
auf die eigene Kompetenz - auch wenn es um die Entwicklung anderer 
Länder und der Armen weltweit geht. Das Motto unseres Jubiläums setzt
hier einen bewussten Gegenakzent. Als Christen vertrauen wir auf Gott
und seine Hilfe. Und wir schauen auf die Menschen. Darum gilt: 
"Vertrauen auf die Kraft der Armen". Es ist für uns Kirchen keine 
Festtagsrhetorik, wenn wir sagen: Die Armen selbst müssen Träger der 
sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sein. Voraussetzungen dafür
zu schaffen und Hindernisse zu beseitigen, das ist die Aufgabe 
staatlicher Politik und kirchlicher Entwicklungsarbeit. Unsere 
Solidarität will Menschen befähigen, das eigene Leben und das Leben 
ihrer Gemeinschaften selbstständig zu gestalten. Sie darf nie dazu 
führen, dass Menschen zu ewigen Schutzbefohlenen werden. Unser 
Handeln muss subsidiär sein. Die biblische vorrangige Option für die 
Armen berührt daher die zwischenmenschliche Ebene. Doch hat sie stets
auch die Strukturen im Blick, die einer ganzheitlichen Entwicklung 
aller Menschen entgegenstehen. Das Wort des Rates der Evangelischen 
Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur 
wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland aus dem Jahre 1997 
ist hier immer noch aktuell. Dort heißt es: "In der Perspektive einer
christlichen Ethik muss alles Handeln und Entscheiden in 
Gesellschaft,Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, 
inwiefern es die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu 
eigenverantwortlichem Handeln befähigt. Die biblische Option für die 
Armen zielt darauf, Ausgrenzungen zu überwinden und alle am 
gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Sie hält an, die Perspektive 
der Menschen einzunehmen, die im Schatten des Wohlstands leben und 
weder sich selbst als gesellschaftliche Gruppe bemerkbar machen 
können noch eine Lobby haben. Sie lenkt den Blick auf die 
Empfindungen der Menschen, auf Kränkungen und Demütigungen von 
Benachteiligten, auf das Unzumutbare, das Menschenunwürdige, auf 
strukturelle Ungerechtigkeit. Sie verpflichtet die Wohlhabenden zum 
Teilen und zu wirkungsvollen Allianzen der Solidarität."1 Dankbar 
erinnern wir uns in diesem Gottesdienst somit an die Geschichte der 
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit von Kirche und Staat in 
Deutschland. Im Herbst 1960 unterbreitete der damalige Bundeskanzler 
Konrad Adenauer den beiden großen Kirchen das Angebot, öffentliche 
Mittel für deren Entwicklungsarbeit bereitzustellen. Dahinter steckte
mehr als politisches Kalkül. Konrad Adenauer war als gläubiger Christ
fest vom kirchlichen Entwicklungsengagement überzeugt. Er erkannte, 
dass die Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika nahe bei den 
Armen sind. Besonders galt dies in jener Zeit für die Missionsorden 
und die Missionsgesellschaften. So brachten die Kirchen günstige 
Voraussetzungen für eine wirksame Entwicklungshilfe mit. 
Bundeskanzler Adenauer wusste auch: Entwicklungszusammenarbeit ist 
nicht nur eine Aufgabe des Staates. Sie ist eine gesellschaftliche 
Herausforderung, die das Mittun vieler verlangt. Die Kirchen konnten 
hier eine Schrittmacher-Funktion wahrnehmen. Ihre Hilfswerke wie Brot
für die Welt und Misereor waren Anfang der 1960er Jahre bereits 
öffentlich anerkannt und als kompetent ausgewiesen. So konnten sie 
Vorreiter sein für die gesellschaftliche Entwicklungsarbeit und 
zugleich zur Verankerung der Entwicklungspolitik in der Bevölkerung 
beitragen. Das Verhältnis der katholischen ebenso wie der 
evangelischen Zentralstelle zum Entwicklungsministerium war von 
Beginn an vom Prinzip der Partnerschaft und gegenseitiger Achtung 
geprägt. Es gibt eine hohe Kooperationsbereitschaft, weil wir uns 
gemeinsamer Ziele verpflichtet wissen. Alle Bundesminister und 
Bundesministerinnen, die für das Entwicklungsressort zuständig waren,
bemühten sich um Dialog, um engen Kontakt und effiziente 
Zusammenarbeit. Das hat den Kirchen und dem Staat gleichermaßen 
genutzt. Dankbar dürfen wir auf eine erfolgreiche Lernpartnerschaft 
zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) und den beiden kirchlichen Zentralstellen 
zurückblicken. Wenn wir zudem bedenken, das auch das 
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 
in diesem Jahr seinen "50. Geburtstag" feiern kann, dann weist dies 
auf eine tiefe Gemeinsamkeit hin: 50 Jahre Hilfe für Andere. Von 
Beginn an zeigte sich auch, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit 
zwischen den beiden Kirchen ist. Das gemeinsame Auftreten der beiden 
Zentralstellen gegenüber Bundesregierung und Parlament war immer ihr 
Markenzeichen. Das ist gelebte Ökumene. In Dankbarkeit, aber auch 
voller Hoffnung für die Zukunft feiern wir diesen Gottesdienst. Wir 
sind dankbar für den gemeinsamen Weg, den wir als Kirchen und Staat 
gehen durften. Diese Dankbarkeit tragen wir in diesem Gottesdienst 
vor den Herrn. Und wir denken dabei auch mit Respekt und Freude an 
die vielen Menschen, denen Gott den Anstoß und die Kraft gegeben hat,
dieses "Zusammenspiel" zu gestalten und zu prägen. Manche sind schon 
verstorben, Viele im verdienten Ruhestand. Wir können heute auf das 
aufbauen, was sie grundgelegt haben. Lassen Sie uns vor Gottes 
Angesicht das Jubiläum der 50 Jahre entwicklungspolitischer 
Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat in einer Solidarität mit 
den Armen feiern! Lassen Sie uns um Gottes Segen für unsere weitere 
Arbeit und die Arbeit unserer Partner weltweit bitten! Schließlich: 
Bitten wir um das Vertrauen auf Gott und auf die Kraft der Armen, um 
Hunger und Elend besser überwinden zu helfen!
   1 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des 
Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen 
Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in 
Deutschland, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in 
Deutschland und dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 
(Gemeinsame Texte 9), Hannover, Bonn 1997, Nr. 107.
Pressekontakt:
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