(ots) - Den Klägern sei Dank, den Verfassungsrichtern
großer Dank. Denn auch wenn Deutschlands höchstes Gericht die Klagen
abgewiesen hat, sorgt der Urteilsspruch für Klarheit und Beruhigung:
In der Politik, in der Euro-Zone und auf den Finanzmärkten. Der
Euro-Rettungsschirm ist mit dem Grundgesetz und damit mit den
parlamentarischen Grundsätzen vereinbar. Aber er hat auch Grenzen.
Die schreiben die Richter in aller Deutlichkeit vor und entkräften
damit die in Deutschland sich immer weiter ausbreitende Sorge, ja
Angst, in ein Fass ohne Boden einzahlen zu müssen. Bei der bislang
vereinbarten Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro ist Schluss. Es
sei denn, der Bundestag beschließt etwas anderes. Damit bekräftigen
die Richter wie schon im Lissabon-Urteil die Rechte des Parlaments.
Insbesondere bezüglich eines europäischen Einigungsprozesses, der
sich mehr und mehr unter Umgehung, ja Missachtung der nationalen
Parlamente, im konkreten Fall des Bundestags vollzieht. Ohne den Gang
nach Karlsruhe hätte es diese neuen parlamentarischen und damit
demokratischen Leitplanken nicht gegeben.
Aus dem Richterspruch, der ja erst nur ein vorläufiger, aber
gewiss schon ein wegweisender ist, lässt sich noch etwas anderes
herauslesen. Nämlich die ziemlich große Skepsis der Richter gegenüber
der Vertragstreue innerhalb der EU. Davon kündet die Auflage, der
ESM-Rettungsschirm sei für Deutschland nur bindend, wenn die
Haftungsgrenze völkerrechtlich abgesichert wird. Das bedeutet, alle
Euro-Mitglieder haben anzuerkennen, dass Deutschlands Haftung die
vereinbarte Summe nicht übersteigen darf. In welcher Form das
geschehen soll, lassen die Richter offen. Aber ihr Verdikt ist klar.
Genährt wohl auch aus der Erfahrung, dass es in der EU zur schlechten
Gewohnheit geworden ist, es mit dem, was gemeinsam vereinbart worden
ist, nicht besonders genau zu nehmen. Auch Deutschland hat da schwer
gesündigt und die Stabilitätsgrenzen verletzt. Aber wir haben
hoffentlich gelernt. Das müssen nun auch jene Südländer, die
insgeheim gehofft haben mögen, Deutschland weiter zur Kasse zu
zwingen, um sich ihr Finanzlotterleben bezahlen zu lassen. Wie ernst
es die Karlsruher Richter meinen, machen sie zudem mit der Auflage
deutlich, der deutsche Vertreter im ESM-Gouverneursrat dürfe ohne
Absprache mit Bundestag und Bundesrat nichts entscheiden. Damit ist
die Horrorvorstellung, dass sich die Euro-Zone zu einer Haftungsunion
entwickelt, beseitigt. Deshalb ist der gestrige Tag ein guter für
alle, die es ernst meinen mit einem Europa, das weder von der
Brüsseler Bürokratie dominiert noch von den Regierungschefs
manipuliert wird. Sondern das demokratisch legitimiert ist und auf
das sich die Bürger verlassen können.
Das wird die beschworene Fortentwicklung der Wirtschafts- und
Währungsunion nicht leichter machen. Die gegenwärtige tiefe Krise hat
zu einem massiven Vertrauensverlust geführt. Nur wenn nationale
Eigeninteressen durch konkretes Handeln aller überwunden werden, kann
Vertrauen zurückgewonnen werden. Ohne das wird Europa weiter vor sich
hinsiechen.
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