(ots) - Wer schon einmal Monopoly gespielt hat, der
kennt das: Da hat man gerade einen guten Lauf, alles wäre so schön,
die ersehnte Schlossallee ist in Sicht, da erwischt man die Karte:
"Gehen Sie zurück auf Los!" Das ist dann meist ärgerlich, weil man
eine vermeintlich gute Chance verpasst hat. So ähnlich dürfte es
Barack Obama derzeit gehen. Denn eigentlich hätte dieses erste
TV-Duell doch so gut wie alles entscheiden können. Sein
republikanischer Herausforderer Mitt Romney war in den Umfragen
zurückgefallen. Sogar seine eigenen Anhänger verloren schon den
Glauben, er könne am 6. November den Präsidenten ablösen. Obama ging
mit diesem riesigen Vorsprung in die Debatte in der Nacht zum
Donnerstag. Er hat ihn verspielt. Die Frage warum wird vielleicht nie
geklärt. Vielleicht hat Romney einfach aus der Position des Underdogs
Kraft schöpfen können, vielleicht hatte er den besseren Trainer,
vielleicht hatte Obama einen schlechten Tag? Alles ist möglich, auch
der letztgenannte Punkt. Aber er wäre der schlechteste Fall, denn der
Präsident weiß, dass es knapp wird dieses Mal. Und nun ist es noch
knapper geworden. Wobei Obama keine sachlichen Fehler gemacht hat. Er
hat alle Punkte, die ihm entgegen gehalten wurden, beantwortet. Er
hat aus der Position des Amtsinhabers sachlich, klar und
selbstbewusst geantwortet. Aber um die Aussagen und Inhalte geht es
bei den Debatten zwar auch. Aber nicht nur. Auf US-Webseiten fand man
vor der Debatte sogar den Rat, den Ton abzuschalten, um zu sehen, wer
überzeugender wirkt. Die Macht der Bilder kennt keiner besser als der
Präsident. Es war neben seinem Versprechen, das Land, die
Gesellschaft, die Politik zu verändern, auch seine souveräne Art und
sein Auftreten, die ihn zu etwas Besonderem machten und eine Welle
der Begeisterung auslösten, die ihn am Ende ins Weiße Haus trug. Wer
die Bilder aus Denver in der Nacht sah, erlebte zwar ebenfalls einen
souveränen Präsidenten - aber einen, dessen Charisma nur selten und
dann in homöopathischen Dosen zum Vorschein kam. Sein
Abschlussstatement war inhaltlich in Ordnung, aber es wirkte
kraftlos, müde und leider auch irgendwie langweilig. Romney hingegen
präsentierte sich in der Debatte spritzig, agil, angriffslustig,
wenngleich seine Aussagen erstens nichts Neues ans Tageslicht
brachten und zweitens nicht dazu geeignet sind, einen
unentschlossenen Mittelschicht-Wähler für ihn seine Stimme abgeben zu
lassen. Romney singt unbeirrt weiter das Hohelied der
Eigenverantwortung, des sich nicht einmischenden Staates, der
deregulierten Wirtschaft - also all dessen, was die Republikaner auch
auf Druck des ultra-rechten Flügels schon lange propagieren. Es ist
kein schönes Bild von Amerika, das einem in den Sinn kommt, wenn man
Romneys Vision von miteinander in Wettbewerb tretenden Schulen hört
oder von Gesundheitssystemen, in denen der Wettstreit der Kassen und
Kliniken das Erfolgsrezept sein soll. Es ist ja nicht so, dass es in
den USA an Konkurrenz und Wettbewerb mangelt; es fehlen die Menschen,
die sich diese Art von freiem Markt noch leisten können. Hier ist
genau der Punkt, an dem Obama vielleicht doch noch die Schlossallee
erreichen könnte, die in diesem Fall Pennsylvania Avenue heißt,
obwohl er gestern Nacht die "Zurück auf Los"-Karte gezogen hat: Am
Wahltag hängt viel davon ab, was die bislang unentschiedenen Wähler
ankreuzen werden. Denn wenngleich wenig Neues zu hören war, so ist
doch noch einmal eines deutlich geworden im ersten TV-Duell: Es
stehen zwei völlig verschiedene Visionen von Amerika zur Wahl. Wenn
sich die Unentschlossenen nicht von der Performance der beiden
Akteure in der vergangenen Nacht haben blenden lassen, wird ihnen
aufgrund der Programme, die Obama und Romney präsentierten, klar
sein, wem sie ihre Stimme geben. Wer am Ende das Rennen macht, ist
allerdings nach dieser Fernsehdebatte offener denn je. Autor:
Christian Kucznierz
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