(ots) - Es ist der erste Besuch der Bundeskanzlerin in
Athen, seit Griechenlands langjährige Bilanz-, Haushalts- und
Vertragsmanipulatoren vor drei Jahren mehr oder minder Insolvenz
angemeldet haben. Warum sich Frau Merkel ausgerechnet jetzt in das
emotionsgeladene Hellas aufmacht, erschließt sich nicht so recht.
Wäre sie früher gefahren, bevor die Griechen fast ausnahmslos sie für
das Desaster im Lande verantwortlich gemacht haben, hätte sie durch
Aufklärung über Sinn, Hoffnung und Wirkung der bislang nicht gerade
kleinlichen Finanzhilfen in Höhe von rund 360 Milliarden Euro
vielleicht mehr Verständnis für die Rolle der europäischen Partner,
allen voran Deutschlands, gewinnen können. Aber ausgerechnet jetzt,
da alle Griechen wie selbstverständlich auf die nächste
31,5-Milliarden-Euro-Tranche setzen? Die aber bleibt so lange
ungewiss, bis die Prüfer der Troika zustimmen. Doch die Vertreter der
EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen
Währungsfonds sollen einmal mehr erhebliche Zweifel haben, ob die
unter stärkstem innenpolitischem Druck stehende griechische Regierung
alle Sparauflagen als Voraussetzung für die Auszahlung tatsächlich
erfüllt hat. Im November, wenn die Troika ihr Ergebnis vorlegen will,
wird die nächste Stunde der Wahrheit schlagen. Nicht allein für die
Griechen. Deren Volksseele kocht schon jetzt. Massenproteste, die
Griechenlands Hauptstadt gar ins Chaos stürzen können, werden
befürchtet, wenn heute die Kanzlerin als zahlungskräftigste, für die
meisten Hellenen aber auch geizigste und machthungrigste
Regierungschefin Europas in Athen aufkreuzt. Was also will sie, was
kann sie unter der Akropolis erreichen? Sie wolle, so das Kanzleramt,
den Griechen Solidarität bekunden und Mut machen, den Reformkurs als
Voraussetzung für die nächsten Finanztransfers fortzusetzen. Das wird
weder der griechischen Regierung noch dem Volk reichen. Beide wollen
mehr. Nämlich Zusagen, dass die Sparauflagen gestreckt und die
nächsten Milliarden unabhängig vom Troika-Votum fließen. Soll der
Besuch also Enttäuschung, Frust und Wut nicht weiter vertiefen,
müsste Frau Merkel zumindest ein kleines Gastgeschenk im Gepäck
haben. Nicht auszuschließen, dass die Kanzlerin dies zumindest im
Sinn hatte. Dafür spricht die barsche Mahnung ihres Finanzministers
Wolfgang Schäuble vor ihrem Flug nach Athen und seinem gen Asien. Der
Besuch sei kein Signal dafür, dass Griechenland schon jetzt mit
weiteren Hilfszahlungen rechnen dürfe, allein die Erfüllung aller
Sparauflagen sichere den nächsten Kredit, Wirtschaft und Finanzen
seien so in Ordnung zu bringen, damit das Land spätestens ab 2020
wieder auf eigenen Füßen steht, bekräftigte Schäuble. Tönt so der
wichtigste Minister der Kanzlerin, wenn er keinen Zweifel am
Einknicken seiner Chefin hätte? Er hatte wohl. Und recht hat er auch,
dass es das Ergebnis der Troika abzuwarten gilt, ehe Griechenland und
seine Partner über die weitere Zukunft - eine gemeinsame oder gar
eine getrennte - nachdenken. Deshalb wäre es klüger gewesen, die
Kanzlerin hätte mit ihrem ersten Besuch noch etwas länger gewartet.
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