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Die Diskussion um das Meldegesetz geht an der Praxis und an der Realität der Adressdatensammlung und -weitergabe vorbei – Interview mit Dr. Ulrich Sch

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Mit dem Schlagwort „erst durchgewinkt, dann durchgefallen“ umschrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ, Nr. 167 v. 20.07.2012, S. 32) die mit Medienunterstützung aufgeflammte Debatte über die am 28. Juni 2012 durch den Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen im Meldegesetz (genauer: Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens). Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte Ende Juni 2012 den Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 17/7746) dahingehend geändert, dass die Weitergabe von persönlichen Daten an Unternehmen zu werblichen Zwecken nicht mehr nur nach vorheriger Einwilligung durch die Betroffenen erfolgen, sondern nur noch durch einen ausdrücklichen Widerspruch verhindert werden können. Doch nachdem das Gesetz vom Deutschen Bundesstag beschlossen wurde, war der Proteststurm der Medien und eines Teils der Öffentlichkeit groß. Plötzlich war ein Teil derjenigen gegen das Gesetz, die zuvor noch dafür gestimmt hatten. Möglicherweise wird das Gesetz deshalb im Rahmen der notwendigen Zustimmung des Bundesrates im Herbst 2012 noch einmal verändert. Was die Datenschützer und Kritiker an den geplanten Gesetzesänderungen nun frohlocken lässt, bezeichnen die Befürworter der geplanten Gesetzesänderung als eine „geschickte Kampagne“ (FAZ vom 13.07.2012). Doch losgelöst von der politischen Bewertung und fernab von der Aufregung des politischen und medialen Tagesgeschehens, erläutert ilex Rechtsanwälte & Steuerberater, warum die Diskussion um die geplante Weitergabe von personenbezogenen Daten durch Meldebehörden an der tatsächlichen Realität in Teilen vorbeigeht. Im Interview weist Dr. Schulte am Hülse darauf hin, dass es nicht nur die Datenbank der Meldebehörden gibt und es in der Praxis anderer Adressdatenbanken längst üblich sei, was den Meldebehörden erst erlaubt werden soll. Allerdings werden die Daten andernorts von privaten Unternehmen erhoben und auch weitergereicht. Die Meldebehörden sind längst nicht die einzigen, die die aktuellen Anschriften von Millionen Menschen in riesigen Datenbanken sammeln und diese für sich oder für Dritte kommerziell nutzen.

(firmenpresse) - ilex: „Warum geht die Diskussion um das neue Meldegesetz Ihrer Ansicht nach an der tatsächlichen Praxis vorbei?“

Dr. Schulte am Hülse: „Nehmen wir einmal an, Sie sind gerade frisch umgezogen. Ihre Pflicht zur Ummeldung bei den Meldebehörden ist durch den Umzugsstress noch auf ihrem Schreibtisch liegengeblieben. Wer schreibt Sie dennoch möglicherweise als einer der Ersten an?“

ilex: „Sagen Sie es uns?“

Dr. Schulte am Hülse: „Dies kann die Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ) sein, die Sie in einem freundlichen Schreiben direkt nach Ihrem Einzug bittet, Ihre Rundfunkgeräte an- oder umzumelden. Die spannende Frage ist, woher die GEZ Ihre neue Adresse hat?“

ilex: „Sagen Sie es uns?“

Dr. Schulte am Hülse: „Die Daten stammen aus einer privaten Adressdatenbank, nämlich aus der Adressdatenbank des Umzugs- bzw. Nachsendeservice der Deutschen Post AG. Bei jeder Postfiliale können Sie einen Nachsendeauftrag kaufen, damit ihre Post, die noch an die alte Adresse gerichtet ist, auch an der neuen Adresse ankommt. Davon machen sehr viele Bürger beim Umzug Gebrauch. Auf diese Weise gibt es eine private Adressdatenbank, die meist schon vor dem Umzug die neuen Adressdaten von vielen Menschen enthält und damit oftmals aktueller ist, als der Datenbestand der Meldebehörden.“

ilex: „Woher wissen Sie so genau, dass das private Unternehmen Deutsche Post AG diese
Daten an die GEZ weiterreicht?“

Dr. Schulte am Hülse: „Weil wir dieser Frage in einem konkreten Fall, bei dem übrigens der Datenweitergabe widersprochen wurde, einmal nachgegangen sind; d. h. wir haben bei der Deutschen Post AG eine datenschutzrechtliche Auskunft nach dem Bundesdatenschutzgesetz abverlangt und…“

ilex: „und was kam dabei heraus?“
Dr. Schulte am Hülse: „Die Antwort der Deutschen Post AG war eindeutig. Das Unternehmen hat in diesem Fall die personenbezogenen Daten an die GEZ weitergereicht




und sieht sich sogar dazu verpflichtet.“

ilex: „Inwiefern?“

Dr. Schulte am Hülse: „Die Deutsche Post AG beruft sich bei ihrer Adressweitergabe in einem mir vorliegenden Schreiben an Dritte auf § 40 Satz 1 des Postgesetzes und sieht sich zur Weitergabe der Adressdaten deshalb Kraft Gesetzes verpflichtet.“

ilex: „Dürfen Sie darüber sprechen?“

Dr. Schulte am Hülse: „Ja, mir liegt eine Befreiung von der Schweigepflicht vor.“

ilex: „Was regelt das Postgesetz?“

Dr. Schulte am Hülse: „Zunächst kann man § 40 des Postgesetzes nicht ohne den § 39 des Postgesetzes lesen. In § 39 des Postgesetzes ist das Postgeheimnis geregelt. Dort steht, dass u. a. die näheren Umstände des Postverkehrs dem Postgeheimnis unterliegen. Dieses Postgeheimnis geht in seiner Geschichte übrigens zurück bis tief ins 18. Jahrhundert. Bereits die preußische Postordnung vom 10. August 1712 stellte in Kapitel VIII § 4 »das unterschlagen, erbrechen oder die Aushändigung in fremde Hand« von Post unter Strafe. § 40 des heutigen Postgesetzes ist dann eine Ausnahmevorschrift und regelt u. a., dass Unternehmen, die geschäftsmäßig Postdienste erbringen, zumindest »den Gerichten und Behörden auf deren Verlangen die zustellfähige Anschrift eines am Postverkehr Beteiligten« mitzuteilen haben, »soweit dies für Zwecke des Postverkehrs der Gerichte oder Behörden erforderlich ist«.“

ilex: „Halten Sie die Argumentation der Deutschen Post AG für schlüssig?“
Dr. Schulte am Hülse: „Eine Voraussetzung damit die Deutsche Post AG der GEZ unter Berufung auf § 40 des Postgesetzes Adressdaten von Postkunden weitergeben darf, ist es, dass die GEZ eine Behörde ist. Zu der Frage, ob die GEZ tatsächlich im verwaltungsrechtlichen Sinne eine Behörde ist und damit der Anwendungsbereich des Postgesetzes überhaupt eröffnet ist, kann man streiten. Die GEZ selber sieht sich nicht als eine Behörde.“

ilex: „Als was sieht sich die GEZ?“

Dr. Schulte am Hülse: „Die GEZ ist nach eigenen Angaben eine Gemeinschaftseinrichtung der ARD, des ZDF und des Deutschlandradio. Auf der Internetseite der GEZ schreibt diese in der Selbstbeschreibung (Stand Juli 2012): »Viele glauben, die GEZ sei eine staatliche Behörde oder gehöre zur Post. Das ist ein Irrtum.« In der Praxis werden die Daten trotzdem weitergegeben, obwohl § 40 des Postgesetzes nur für Gerichte und Behörden gilt.“

ilex: „Was gibt es sonst für private Datenbanken.“

Dr. Schulte am Hülse: „Die wirklich großen Datenbanken werden von privaten Auskunfteien unterhalten. Ein prominentes Beispiel unter vielen Auskunfteien ist der Datenbestand der Schufa Holding AG, in dem nach eigenen Angaben des Unternehmens im Jahre 2011 allein 514 Mio. Datensätze zu insgesamt 66,2 Mio. Bürgern in Deutschland gespeichert sind. Darunter befinden sich Adressdaten, die im Rahmen der Schufa-Adressprodukte an insgesamt 7.000 angeschlossene Firmen weitergereicht werden können.“

ilex: „Herzlichen Dank für das Gespräch.“

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Bereitgestellt von Benutzer: Schultelaw
Datum: 10.11.2012 - 16:20 Uhr
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