Jede, jedes und jeder nutzt täglich das sog. Scoring. Wenn ein Verbraucher oder ein Unternehmer vor einer Entscheidung steht, verteilt er auf die Alternativen bestimmte Werte und geht schließlich den Weg mit den meisten Punkten (Scoring). Diese menschliche Eigenart ist im Bereich der Bonitätsmessung bekannt; viele Banken, Vermieter oder andere Dienstleister nutzen das Scoring der Auskunfteien (z.B. Schufa, Creditreform), um sich zu vergewissern, dass der potentielle Vertragspartner seine Rechnungen künftig auch begleichen wird. Auskunfteien begründen ihr Bonitätsurteil meist auf Daten zur finanziellen Vergangenheit der Betroffenen. Doch längst ist ein neuer Trend entstanden. Es gibt Unternehmen, die Menschen anhand ihres Internetverhaltens (z.B. in sozialen Netzwerken) bewerten. Klout ist hier ein bekanntes Unternehmen. ilex stellt einige Unternehmen vor und bewertet dieses Geschäftsmodell rechtlich.
(firmenpresse) - 1. Das Geschäftsmodell der Online-Reputation
Entscheidungen, die wirtschaftliche Risiken bürgen, sind für Unternehmer und Unternehmen alltäglich. Soll der Bewerber eingestellt werden? Soll der Mieter einen Mietvertrag bekommen? Wird der Vertragspartner auch zahlen? Die Entscheider stehen hier vor der schwiergen Aufgabe, sich keinen teuren Fehlgriff zu leisten. Sie werden daher für jede Entscheidungshilfe dankbar sein; mithin einen Teil ihrer Sorgen auslagern.
In diese Marktlücke sind bislang v.a. die sog. Auskunfteien gestoßen. Sie sammelten und sammeln alle möglichen Informationen und bewerten die Kreditwürdigkeit (Bonität) der Betroffenen. Bekannte Vertreter sind die Schufa, die Creditreform oder Bürgel.
Doch offenbar reicht den Entscheidern dieser Service nicht mehr aus. Sie wollen ihre Entscheidungsbasis vergrößern. Das ist ein verständliches Anliegen. In diese Lücke wiederum stürzen sich Anbieter, die die Online-Reputation der Betroffenen messen und bewerten (Scoring). Möglicherweise bildet sich bald das Kunstwort "Online-teien" heraus. Die Online- Reputation ist ein noch nicht wirklich entwickelter Begriff; nur so viel: Es geht um den Ruf im Internet und somit um Fragen, wie oft man erwähnt wird, wie oft man sich selbst präsentiert usw. Je häufiger und je positiver die eigene Erwähnung im Netz ist, desto höher möglicherweise der Score; und natürlich umgekehrt.
2. Beispiele für Anbieter
Auch wenn der Markt im Fluss ist, können bereits einige Branchengrößen erkannt werden; ohne dass die nachfolgende Aufzählung Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Ein großer Vertreter ist das US-Unternehmen Klout mit Sitz in San Francisco. Es untersucht die Onlinereputation der Betroffenen im Hinblick auf True Reach, Amplification und Network Impact.
Twitter-basierten Dienste sind z.B. Twitter Score u. TwitterGrader,
Facebook basiert ist etwa Booshaka.
Google-basierte Dienst sind u.a. SocialGrapple u. Postrank.
Im Übrigen können noch genannt werden PeerIndex u. Proliphiq
Nicht alle Unternehmen sind Entscheidungshelfer, sondern auch nur Übersichtsgeber. Sie folgen auch nicht alle dem oben beschriebenen Geschäftsmodell, das wie gesagt sehr im Fluss ist.
3. Rechtliches für Verbraucher
In rechtlicher Hinsicht stellt sich zunächst die Frage, ob deutsches Recht zur Anwendung käme. Hierfür spräche vieles, wenn deutsche Verbraucher bewertet werden und die Bewertung in Deutschland als Entscheidungshilfe verwendet wird.
Aus der deutscher Rechtsperspektive gesehen stellt eine derartige Analyse der Online-Reputation eine Verarbeitung oder ggf. auch Nutzung personenbezogener Daten dar und wäre somit grundsätzlich rechtswidrig (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Das folgt etwa aus dem Bundesdatenschutzgesetz; je nach Ausgestaltung des Unternehmens aber auch aus dem Telemediengesetz.
Die spannende Frage ist, wie man dies rechtfertigen könnte.
In Betracht kommt zunächst eine Einwilligung, die schließlich Ausdruck des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist. Ob eine solche Einwilligung aber überhaupt zulässig ist, kann durchaus bezweifelt werden. Soweit das Scoring nämlich der Entscheidungshilfe für die Begründung eines Vertrages dienen soll, könnte der § 28b BDSG den Sachverhalt abschließend regeln. Huier wird es auf das konkrete Geschäftsmodell ankommen.
Möglicherweise könnte aber auch eine gesetzliche Rechtsgrundlage die grundsätzlich vermutete Rechtswidrigkeit heilen. Wenn § 28b BDSG hierfür herhalten soll, kommt es v.a. die Datenbasis und die Wissenschaftlichkeit des Scoringverfahrens an. Hier wird man abwarten müssen, wie sich die Unternehmen und ihre Verfahren entwickeln. Möglicherweise könnte die Analyse auf eine andere Norm (§ 29 BDSG) gestützt werden, was voraussetzt, dass das Scoring verhältnismäßig ist. Die Knackpunkte dürften hier sein: Kann das Unternehmen garantieren, dass die dem Scoring zugrundeliegenden Daten richtig sind? Stammen die Daten aus der Zeit als Nichtvolljähriger? Auch hier bleibt es abzuwarten.
Sollte kein deutsches Recht Anwendung finden; aber ein deutsches Gericht sich für zuständig erklären, kommt es tatsächlich auf die Rechtslage am Sitz des Unternehmens an. Viele Unternehmen haben ihren Sitz in den USA, sodass es auf die dortige Rechtslage ankäme. Dort exisitiert - mit der Ausnahme einiger Bundesstaaten (z.B. Kalifornien) - keine Regelung zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Aktiv könnte man aus dem Klagegrund der "invasion of privacy" oder ggf. aus einem dortigen Datenschutzgesetz vorgehen.
4. Rechtliches für Unternehmer
Auch für Unternehmer stellt sich die Frage, ob deutsches oder ein anderes Recht zur Anwendung kommt. Jedoch ist der Schutz der Privatsphäre von Unternehmen in Deutschland und etwa den USA gleich schlecht. Es wird hier im Wesentlichen darauf ankommen, ob ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht vorliegt. Letztlich entscheiden auch hier Fragen nach der Herkunft der Daten, der Datenqualität und der Wissenschaftlichkeit des Verfahrens.
5. Fazit
Das Geschäftsmodell der "Online-teien", also der Unternehmen, die die Online-Reputation messen befindet sich in einer interessanten Entwicklungsphase, nämlich an der Stelle, in der es im Leben von Verbrauchern und Unternehmern ankommt. Hieraus folgen automatisch auch rechtliche Implikationen, die zunächst einmal vergleichbar mit denjenigen des Bonitätsscorings sind. Doch ilex denkt hier einen Schritt weiter.
Dr. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt
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