PresseKat - Qualitätsmanagement und Datenschutz in Arztpraxen: Interview mit Lutz-Ingo Sauer und Stephan Gärtn

Qualitätsmanagement und Datenschutz in Arztpraxen: Interview mit Lutz-Ingo Sauer und Stephan Gärtner

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Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken (§ 1 Absatz 2 Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte). Dieses hehre Selbstverständnis, dem sich viele Ärztinnen und Ärzte verpflichtet fühlen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine gute ärztliche Versorgung auch davon abhängt, „dass die Praxis gut läuft“. Arztpraxen sind nämlich mittelständische Unternehmen, deren Dienstleistung derart lebenswichtig für ihre „Kunden“ ist, dass die oftmals von Mittelständlern gemiedenen Themen Qualitätsmanagement und Datenschutz dort eine besondere Bedeutung haben. Im Interview mit Lutz-Ingo Sauer, der Arztpraxen wie Unternehmen berät, und mit Stephan Gärtner, der als Rechtsanwalt und Compliance Manager Arztpraxen in datenschutzrechtlichen Fragen unterstützt, wird der gemeinsame Nenner von Qualitätsmanagement und Datenschutz, nämlich deren große Bedeutung im Medizinsektor, untersucht.

(firmenpresse) - ilex: Guten Tag Herr Sauer. Gehen Sie eigentlich gern zum Arzt?

Lutz-Ingo Sauer: Im Grunde gehöre ich zu den Menschen, die sich nicht um einen Besuch beim Arzt reißen. Ich versuche möglichst gesund zu leben und meine Kontakte zu Ärzten auf Vorsorgeuntersuchungen zu beschränken. Dennoch besuche ich sicherlich durch meine Tätigkeit als Berater häufiger Arztpraxen als so mancher Patient.


ilex: Herr Sauer, können Sie kurz erläutern, was Qualitätsmanagement in der Arztpraxis bedeutet und welchen konkreten Ansatz Sie verfolgen?

Lutz-Ingo Sauer: Bereits seit 2004 sind Vertragsärzte nach §135a(2) SGB verpflichtet, praxisintern ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen und weiterzuentwickeln. Die entsprechende Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist hierzu am 01.01.2006 in Kraft getreten. Inhaltlich geht es im wesentlichen darum, systematisch alle in den Praxen eingesetzten Methoden, Abläufe, Instrumente und Hilfsmittel auf deren Wirksamkeit hin zu überprüfen, mögliche Fehlerquellen frühzeitig einzugrenzen oder auch ganz auszuschalten. Risiken in der Betreuung der Patienten sollen erkannt und weitgehend eingegrenzt werden. Durch die konsequente Einführung eines QM-Systems wird die Versorgungsqualität der Patienten gesichert und durch die Reduzierung von Fehlern steigt die Zufriedenheit von Patienten, Mitarbeitern und der Praxisleitung. Meine Aufgabe in diesem Zusammenhang ist es, aus externer Sicht den Einführungsprozess zu begleiten, Stärken und Entwicklungspotentiale aufzuzeigen und zwischen den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen in der Praxis zu moderieren. Daneben fallen oft die eindeutige Aufgabenverteilung, die Einhaltung des Zeitplans und die kontinuierliche Überprüfung der selbstgesteckten Qualitätsziele und deren Weiterentwicklung in meinen Aufgabenbereich.


ilex: Nun zu Ihnen Herr Dr. Gärtner. Ist das Thema Datenschutz in der Arztpraxis nicht ein Ladenhüter im Portfolio eines Rechtsanwalts?





Stephan Gärtner: Keineswegs. Es trifft zwar zu, dass sich viele mittelständische Unternehmen noch schwer mit dem Thema Datenschutz tun. Doch bei Arztpraxen besteht der kleine Vorteil, dass in diesem Tätigkeitsfeld das Datenschutzrecht eine lange Tradition hat. Immerhin heißt es im Eid des Hippokrates: „Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgange mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.“ Ärztinnen und Ärzte sind sich der Problematik also bewusst, scheuen aber oft die damit verbundenen Einschnitte und Kosten. Meine Aufgabe besteht also darin, den Arztpraxen zu zeigen, dass Datenschutz weder hinderlich noch teuer sein muss. Gelingt mir das, ist das Thema Datenschutz in der Arztpraxis alles, aber kein Ladenhüter.


ilex: Nennen Sie bitte ein Beispiel, wo Sie Datenschutz für Arztpraxen kostengünstiger machen können.

Stephan Gärtner: Nach § 4f Absatz 1 BDSG sind nichtöffentliche Stellen, also beispielsweise Arztpraxen, verpflichtet, auch unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, wenn sie vorabkontrollepflichtige, also äußerst sensible Datenverarbeitungen vornehmen. Das ist etwa bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten der Fall, sobald die Arztpraxis außerhalb ihrer gesetzlichen Speicherungspflicht, Patientendaten verarbeitet. Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, dass eine Arztpraxis mit einem Arzt/einer Ärztin mit einer Arzthelferin/einem Arzthelfer einen nahezu unkündbaren betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellen muss, der auch für Fortbildungen freizustellen ist. In einem derart kleinen Unternehmen wäre das vollkommen unwirtschaftlich. Es besteht aber die Möglichkeit, einen externen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, der weder unkündbar noch für Fortbildung freizustellen und im Übrigen viel günstiger ist. Ich lasse mich von Ärzten gern als Datenschutzbeauftragter bestellen.


ilex: Herr Sauer, welchen Mehrwert erzeugt das Qualitätsmanagement in der Arztpraxis?

Lutz-Ingo Sauer: Dies konkret in Euro auszudrücken, fällt nicht leicht, aber an erster Stelle nenne ich hier die Weiterentwicklung des vorhandenen Praxis-Know-how. Daneben ergeben sich z.B. durch eine effiziente und standardisierte Organisation in den Arbeitsabläufen, den richtigen Umgang mit der Computertechnik und bei den Zuständigkeiten nicht unerhebliche Einsparpotentiale. Stellvertretend seien hier die Festlegung eines vernünftigen Bestellsystems, die Definition von Dringlichkeiten in der Behandlung oder die Patientenaufklärung genannt. Die Transparenz in den Prozessen, die Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Praxisarbeit schafft Vertrauen und Sicherheit bei allen Beteiligten. Durch die konsequente Einbeziehung aller Mitarbeiter und der Praxisleitung werden Potentiale gehoben, die in vielen Fällen ungenutzt bleiben würden.


ilex: Können Sie ungefähr beschreiben, wie eine Beratung durch Sie abläuft?

Lutz-Ingo Sauer: Grundsätzlich beginne ich mit einer tageweisen Einschau in die Abläufe der Praxis. Hierbei geht es mir darum, den Alltag des gesamten Teams kennen zu lernen, Abläufe zu studieren und das Personal in der Interaktion zu erleben. Die Erstellung eines Stärken-Schwächen-Profils (SWOT-Analyse) ermöglicht mir oftmals einen guten Einstieg in den Eröffnungsworkshop, in dem sich alle mit dem Anliegen der Einführung eines QM-Systems, den Inhalten und Methoden vertraut machen können. Durch die Benennung von Prozessen, die in der Praxis gut laufen und die Aufdeckung von Verbesserungspotentialen befinden sich die Mitarbeiter und die Praxisführung oftmals bereits in kurzer Zeit mitten in der Umsetzung. Dann gilt es durch monatliche Qualitätszirkel und die systematische Abarbeitung der Themen „am Ball“ zu bleiben. Ein Zeitraum von ca. 18 Monaten gilt je nach Größe der Praxis als realistischer Zeitraum für die Einführung.


ilex: Herr Dr. Gärtner. Durch Sie kann eine Arztpraxis Geld und Aufwand sparen …

Stephan Gärtner: Das verkürzt meine Dienstleistung. Ich bewirke nicht nur eine Ersparnis, sondern im Idealfall auch Gewinne. Gerade im Gesundheitssektor suchen die Patienten nach Differenzierungskriterien für die Frage: Zu welchem Arzt gehe ich? Wenn es nun zwei gleich gute Ärzte gibt, aber in der Praxis A sitzen Patienten zwei Meter vom Tresen entfernt und können jedes Gespräch mithören, während in Praxis B der Abstand etwas größer oder eine Trennwand dazwischen ist und die Mitarbeiter leise sprechen, wird er wahrscheinlich zu Praxis B gehen. To make a long story short: Ich will Datenschutz als Werbung für eine Dienstleistung etablieren und nicht als Hemmschuh.


ilex: Herr Sauer, ist das Qualitätsmanagement für Arztpraxen verpflichtend? Welche Vorteile sehen Sie unabhängig von einer Pflicht?

Lutz-Ingo Sauer: Ja, aber es besteht gegenwärtig keine Pflicht, das QM-System einer externen Zertifizierung zu unterziehen. Dennoch erlebe ich immer wieder den Stolz auf das Erreichte und die Befriedigung über die externe Anerkennung des Geleisteten. Nicht zuletzt nehmen natürlich die Patienten auch Kollegen Notiz davon, wenn sich die Praxis in besonderem Maße der Erfüllung von Qualitätsstandards verpflichtet fühlt. Insofern erfährt das Image der Praxis eine Aufwertung und man schafft sich einen nicht zu vernachlässigenden Wettbewerbsvorteil. In hochspezialisierten Facharztpraxen, die in enger Verbindung mit stationären Einrichtungen z.B. in Tumor- oder Organzentren kooperieren, ist die externe Zertifizierung zwingende Voraussetzung für die Mitarbeit und ein Kriterium für die Sicherung einer hohen Patientenzufriedenheit.

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Datum: 12.11.2012 - 18:34 Uhr
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