Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler informiert über aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Betriebsübergangen von insolventen Unternehmen.
(firmenpresse) - Vielen ist es bereits bekannt: Wenn ein Betrieb übernommen wird und ein sog. Betriebsübergang vorliegt, tritt der neue Betriebsinhaber gemäß § 613 a BGB in sämtliche Rechten und Pflichten der Arbeitsverträge ein, den der Verkäufer mit dem Arbeitnehmern geschlossen hat.
Diese Regelungen kann man im Falle der Insolvenz mit einer sog. Transfergesellschaft auch nicht umgehen, wie das Bundesarbeitsgericht am 18.08.2011, 8 AZR 312/10 nochmals deutlich gemacht hat. Solche Dienstleistungsgesellschaften bieten den Arbeitnehmern des insolventen Unternehmens befristete Arbeitsverträge an, in denen sie aber meist nicht mit ihren bisherigen Aufgaben beschäftigt, sondern im Hinblick auf die anstehenden Bewerbungen geschult und fortgebildet, also wieder "fit" für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Die Kosten werden von der Arbeitsagentur und dem ehemaligen Arbeitgeber getragen. Die Vorteile für die Arbeitnehmer liegen insbesondere darin, dass die anderenfalls vom insolventen Arbeitgeber angedrohte betriebsbedingte Kündigung nicht erfolgt und die nachfolgende Arbeitslosigkeit aufgeschoben wird. Im Normalfall kann Arbeitslosengeld nur noch zwölf Monate lang bezogen werden, da geschieht es schnell, dass der Arbeitslose Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen muss. Daher sind einige Monate Karenz durch Anstellung bei einer Beschäftigungsgesellschaft für manchen Arbeitnehmer, der seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher gering einschätzt, attraktiv. Ein solcher Arbeitnehmer ist dann bereit, mit dem insolventen Unternehmen einen Aufhebungsvertrag zu schließen und den Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft abzuschließen.
Wenn sich dann wider Erwarten nach Abschluss der dreiseitigen Vereinbarung ein Investor findet und den Betrieb oder jedenfalls Teile davon fortführt, kann dieser sogar Arbeitnehmer aus der Transfergesellschaft übernehmen, ohne dass ein Betriebsübergang vorliegt. So hat es das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 10.12.1998, 8 AZR 324/97, entschieden, und in seinen Urteilen vom 18.08.2005, 8 AZR 523/04, und vom 23.11.2006, 8 AZR 349/06 bestätigt. Die Arbeitnehmer können also nicht auf den Bedingungen ihres alten Arbeitsvertrags bestehen, den sie seinerzeit mit dem Veräußerer geschlossen hatten. Ihnen kann ein geringeres Gehalt gezahlt werden und im Falle einer erneuten Kündigung hätten sie eine geringere Betriebszugehörigkeit ab der Neueinstellung. Der alte Arbeitsvertrag wurde nämlich bereits durch die dreiseitige Vereinbarung aufgehoben, durch die der Arbeitnehmer in die Transfergesellschaft übernommen worden ist. Voraussetzung ist aber, dass dieser Vertrag auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist. Es darf also nicht schon klar sein, dass ein Betriebsübergang eintreten wird und der Arbeitnehmer in dem Betrieb weiterarbeiten kann.
Unzulässig ist es allerdings, die Transfergesellschaft dazu zu benutzen, den Schutz des § 613 a BGB auszuhebeln. Ein solcher Fall lag der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.08.2011 zugrunde. In diesem Fall ließ der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer im März 2005 sechs (!) dreiseitige Verträge unterzeichnen, die eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisse und Übergang in die Beschäftigungsgesellschaft zum Ende März, April, Mai, Juli, August und September 2005 vorsahen. Da nur der Arbeitnehmer diese unterzeichnet hatte, handelte es sich juristisch um Angebote auf Abschluss der dreiseitigen Verträge. Der Insolvenzverwalter sowie die Transfergesellschaft unterzeichneten dann die Fassung, die eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum Mai 2005 vorsah. Das Bundesarbeitsgericht hatte schon Zweifel daran, ob die Angebote aus März, die wohl im Mai oder Juni angenommen wurden sind, noch existent waren, oder ob der Arbeitnehmer aufgrund des langen Zeitablaufes nicht mehr damit rechnen musste, dass sie noch angenommen werden.
Viel wichtiger war aber, dass der Arbeitnehmer am 29.05.2005 bereits einen Arbeitsvertrag bei der späteren Erwerberin des Betriebes mit dem Eintrittstermin 02.06.2005 unterzeichnet hatte und ihm mitgeteilt wurde, dass diese per Losverfahren darüber entscheiden werde, ob sie dieses Angebot annehme. Die Erwerberin wollte nämlich 352 der 452 Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Nachdem der Arbeitnehmer dann beim Losverfahren Glück hatte, wurde dieser Arbeitsvertrag durch Unterzeichnung angenommen. Er war somit nur am 01.06.2005 bei der Transfergesellschaft beschäftigt und hat in dieser auch nicht gearbeitet oder ist geschult worden. Vielmehr fand an diesem Tag eine Betriebsversammlung statt, in der die Arbeitnehmer über die Veränderungen im Betrieb informiert wurden. Im Jahr 2008 wurde er dann gekündigt, und zwar unter Berücksichtigung einer Betriebszugehörigkeit ab 02.06.2005, also mit einer kurzen Kündigungsfrist.
Das Bundesarbeitsgericht nahm daher an, dass ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vorlag und die Aufhebungsvereinbarung bezüglich des alten Arbeitsverhältnisses nur zum Schein geschlossen worden war. Als der Arbeitnehmer dann 2008 die Kündigung erhielt, musste die Arbeitgeberin eine Kündigungsfrist gemäß einer Betriebszugehörigkeit seit 1995 beachten, da das Datum des Eintritts in die insolvente Gesellschaft und nicht das Datum des Eintritts in die Erwerberin am 02.06.2005 maßgeblich was. Für den Arbeitnehmer bedeutete dies eine Verlängerung der Kündigungsfrist von einem auf fünf Monate. Auch für die Höhe seiner Abfindung dürfte die verlängerte Betriebszugehörigkeit eine Rolle spielen, wobei diese Frage aber nicht vom Bundesarbeitsgericht zu entscheiden war, da das Bundesarbeitsgericht über die Frage der Kündigungsfrist durch Teilurteil entschieden hatte.
Ebenfalls um eine Umgehung des § 613 a BGB ging es in dem ähnlich gelagerten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2012, 8 AZR 572/11. In diesem Fall gab der Arbeitnehmer zwar nur ein Angebot auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem insolventen Unternehmen und Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mit Wirkung zum 01.06.2008, 0 Uhr ab, das dann auch angenommen wurde. Gleichzeitig gab er aber vier Angebote auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses mit der Betriebserwerberin jeweils ab dem 01.06.2008, 0.30 Uhr ab. Ein Angebot beinhaltete ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, die übrigen drei unterschiedlich lange Befristungen. Die Erwerberin nahm das Angebot auf Abschluss eines auf 20 Monate befristeten Arbeitsverhältnisses an.
Der Arbeitnehmer erhob dann später mit Erfolg Entfristungsklage. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts konnte sich die neue Arbeitgeberin auf das mit der Beschäftigungsgesellschaft geschlossene Arbeitsverhältnis, das nur eine halbe Stunde bestand, nicht berufen. Diese Konstruktion sollte ersichtlich nur dazu dienen, die Rechtsfolge des § 613 a BGB zu umgehen. Der Arbeitnehmer ist somit unbefristet bei der Erwerberin tätig mit einem Eintrittsdatum ab dem Beginn seiner Tätigkeit für das später insolvent gewordene Unternehmen.
Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nachdem ich einige Jahre als angestellte Anwältin gearbeitet habe, gründete ich 2009 meine eigene Kanzlei. Ich befasse mich mit dem Zivil- und Wirtschaftsrecht insbesondere dem Arbeits-, Miet- und Insolvenzrecht und vertrete hierbei sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen. Als ehemalige Prozessanwältin eines Insolvenzverwalters bin ich insbesondere auf der Schnittstelle Arbeits- und Insolvenzrecht bewandert.
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