(ots) - Wenn Obama Netanjahu seine Unterstützung
zusichert und bekräftigt, dass Israel ein Recht auf
Selbstverteidigung habe, tut er das, was ein US-Präsident in solchen
Situationen tun muss: Dem Land, das zu den engsten Verbündeten der
USA gehört, Solidarität aussprechen und all jenen ein deutliches
Zeichen geben, die - wie die im Gazastreifen herrschende Hamas - dem
Land das Existenzrecht absprechen. Was er versäumt ist, Benjamin
Netanjahu klar und deutlich vor den schwerwiegenden Folgen zu warnen,
sollte Israels Premier im Gazastreifen Bodentruppen einsetzen. Das
nämlich würde eine gefährliche Eskalation der Gewalt bedeuten, die
den ganzen Nahen Osten destabilisieren könnte. Doch Netanjahu ist auf
einen harten Kurs in der derzeitigen Auseinandersetzung mit der Hamas
angewiesen. Der arabische Frühling hat das machtpolitische Gefüge im
Nahen Osten durcheinandergebracht - ein Gefüge, das Israel lange Zeit
relative Stabilität verheißen hat. Nun nehmen an der Grenze zu Syrien
- Verbündeter des Iran - die Spannungen zu. Granaten schlagen in den
Golan-Höhen ein. Israel antwortet mit einer Panzerabwehrrakete und
feuert somit zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Schüsse in
Richtung Syrien ab. Auch vom einstigen Partner Ägypten muss sich
Israel zunehmend bedroht fühlen. Die dort herrschende
Muslimbrüderschaft ist die Mutterorganisation der Hamas und sagt den
radikalen Palästinensern dementsprechende Unterstützung zu. Nach der
Tötung des Hamas-Militärchefs zieht Ägyptens Präsident Mohammed Mursi
den Botschafter aus Israel ab. Die israelischen Angriffe auf den
Gazastreifen verurteilt er scharf und fordert von den USA, in den
Konflikt einzugreifen. Vielen Ägyptern, die mehrheitlich hinter den
Palästinensern stehen, ist selbst das aber noch zu wenig. Aus dem
"kalten Frieden", der zwischen Israel und Ägypten seit der
Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 1979 geherrscht hat,
scheint sich sukzessive ein Brandherd zu entwickeln. Ginge es nach
einigen radikalen Kräften im Land, sollte der Friedensvertrag
zwischen Israel und Ägypten gleich aufgelöst werden. Doch nicht nur
das. Auch die innenpolitische Situation bringt den israelischen
Premier unter Zugzwang. Im Januar stehen vorgezogene Parlamentswahlen
an. Netanjahu, Chef des konservativen Likud, hat ein Wahlbündnis mit
der ultrarechten Partei des Außenministers Avigdor Liebermann "Israel
Beitenu" (Unser Haus Israel) geschmiedet. Und die ist nicht nur dafür
bekannt, den arabischen Israelis gegenüber einen harten Kurs zu
fahren. Der Rechtsschwenk dürfte auch dem
israelisch-palästinensischen Friedensprozess alles andere als
zuträglich sein. Außenpolitisch will man Stärke zeigen. Für eine
Mehrheit von 45 Sitzen für das Bündnis in der Knesset reicht es nach
aktuellen Umfragen dennoch nicht ganz. Vielmehr verzeichnet die
sozialistische Arbeitspartei einen Zuwachs - was angesichts der
sozialen Verwerfungen in Israel auch nicht erstaunlich ist. Mieten
und Lebenshaltungskosten steigen, die Kluft zwischen Arm und Reich
wird immer größer. Hunderttausende sind auf die Straßen gegangen, um
für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. Von diesen Problemen kann eine
Krise, wie sie Israel momentan erlebt, ablenken. Netanjahu weiß das
zu nutzen und inszeniert sich als entschlossener und starker
Regierungschef. Tatsächlich dürfte das den Zuspruch, den eine
amtierende Regierung in Phasen der Bedrohung ohnehin verstärkt
genießt, zusätzlich steigern. Netanjahu muss sich aber auch bewusst
sein: Sein Kalkül, mit Kriegsrhetorik Wählerstimmen zu sammeln, kann
ganz schnell die Lunte am Pulverfass Nahost entzünden - wenn sie
nicht vielleicht sogar schon brennt.
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