(ots) - Seit Jahren wird im Westen diskutiert, was erlaubt
ist im Antiterrorkrieg und was nicht. In diesem Fall kann es kaum
Zweifel geben, dass Israel das Recht hatte, den Militärchef der
Hamas, Ahmed Dschabari, zu töten. Schließlich stellt die Hamas die
De-facto-Regierung von Gaza. Ahmed Dschabari war der
Hauptverantwortliche für den Terrorkrieg gegen die israelische
Zivilbevölkerung und deshalb auch ein legitimes militärisches Ziel.
Aus Europa kommt bei solchen Aktionen zuverlässig der Einwand, das
sei nun aber gerade eine ganz schlechte Zeit. Und das ist auch
diesmal nicht ganz falsch: Der Angriff trübt das ohnehin schwierige
Verhältnis zum neuen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi in
Ägypten, der versucht hatte, zwischen Israel und Hamas zu vermitteln.
In der Region gärt es an allen Ecken, in Syrien tobt ein Bürgerkrieg,
und der Iran steht kurz vor der Bombe. Da braucht es nicht unbedingt
noch einen neuen Nahostkrieg. Alles richtig. Aber doch die falsche
Perspektive. Denn das Bestürzende an der derzeitigen Lage ist nicht
die israelische Attacke, sondern das, war ihr vorausging. Es zeigt,
dass die Hamas wenig aus dem letzten Krieg gelernt hat - anders als
die Hisbollah. Die hat im Sommer 2006 eine israelische
Grenzpatrouille auf israelischem Boden angegriffen und israelische
Soldaten entweder getötet oder verschleppt. Angesichts dieses
dreisten Angriffes sah sich Israel genötigt, seine Abschreckungsmacht
wiederherzustellen, und hat über einen Monat lang Krieg gegen die
Hisbollah geführt. Seitdem hat diese sich nicht mehr auf solche
Abenteuer eingelassen. Wer den Zeitpunkt der Tötung Dschabaris
kritisiert, sollte auch bedenken, dass sich selbst den gut
informierten Israelis nicht jeden Tag die Gelegenheit bietet, den
Terrorchef der Hamas zu töten. Jahrelang haben die israelischen
Dienste versucht, Dschabari auf die Spur zu kommen. Der war nicht nur
für die Entführung von Gilad Schalit verantwortlich und den Tod
seiner Kameraden, er hat aus den Kämpfern der Hamas auch eine
vergleichsweise professionelle Truppe geformt, hat sich Teheran in
die Arme geworfen und iranische Fajr-5-Raketen in den Gazastreifen
geschmuggelt, die inzwischen die Metropole Tel Aviv erreichen können.
Er hat einen Teil der militärischen Infrastruktur der Hamas in den
Sinai verlagert und ist verantwortlich für Angriffe, die von dort,
also von ägyptischem Territorium, gegen Israel geführt wurden. Wenn
die Israelis dann einen Tipp bekommen, der zum Aufenthaltsort
Dschabaris führt, dann braucht es keine weiteren starken Gründe, um
diesen Terrorpaten auszuschalten. Eine Regierung, die ihren
Schutzauftrag für die eigene Bevölkerung ernst nimmt, brauchte in
solch einem Fall vielmehr sehr gute Gründe, einen gefährlichen
Terroristen nicht anzugreifen - und damit eine Chance verstreichen zu
lassen, die sich vielleicht nie wieder bieten wird. Diese hat die
Hamas wahrlich nicht geliefert. Im Gegenteil. Ob die Lage weiter
eskaliert, hängt von ihr selbst ab. Die Israelis haben kein
Interesse, erneut mit Bodentruppen in Gaza einzufallen. Das könnte am
Ende noch unappetitlichere Extremisten an die Macht bringen.
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