(ots) - Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) hat anlässlich der Debatte über den "Gesetzesentwurf zur
Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung", der Ende
November 2012 im Deutschen Bundestag verhandelt wird, eine Erklärung
beschlossen. Sie hat den folgenden Wortlaut:
Die Kirche ist dem Schutz menschlichen Lebens und der menschlichen
Würde verpflichtet - dies gilt besonders für Grenzsituationen. Diese
Grundhaltung formulierten die christlichen Kirchen bereits 1989 in
der gemeinsamen Erklärung "Gott ist ein Freund des Lebens": Aus
christlicher Perspektive ist die Selbsttötung eines Menschen
grundsätzlich abzulehnen, weil das Leben als eine Gabe verstanden
wird, über die wir nicht eigenmächtig verfügen sollen. Allerdings
schließt die generelle Ablehnung nicht aus, dass Menschen in einer
extremen Not- und Ausnahmesituation zu einer anderen Entscheidung
kommen können, die ein Außenstehender nicht ermessen kann und die es
zu respektieren gilt. Ein moralisches Urteil darüber steht niemandem
zu.
Diese Haltung des Respekts gegenüber Menschen in verzweifelten
Situationen hat der Rat der EKD 2008 in seiner Orientierungshilfe
"Wenn Menschen sterben wollen" auch auf die Beihilfe zur Selbsttötung
ausgeweitet. Zwar wird die Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich
abgelehnt. Es wird aber anerkannt: In Grenzerfahrungen des
menschlichen Lebens, in Situationen schweren Leidens können
Betroffene und Angehörigen in tiefe Gewissenskonflikte und Grenzfälle
geraten. Aus evangelischer Sicht ist zu respektieren, wenn diese
Menschen in solch existentiellen Lebenslagen Beihilfe zum Suizid
leisten und persönlich verantworten. Vor dem Gebot Gottes, das das
Leben bewahren will und darum das Töten untersagt, ist Tötung
menschlichen Lebens immer ein schuldhafter Vorgang. Die Härte dieser
Erkenntnis darf nicht verdrängt werden. Aber sie berechtigt nicht zu
Schuldvorwürfen gegenüber anderen. Nach evangelischem Verständnis
kann zu einem ethischen Handeln auch die Ãœbernahme von Schuld
gehören. Moralische Urteile laufen hier Gefahr, die existentielle
Dimension, um die es bei der Problematik der Suizidbeihilfe geht, zu
verfehlen.
Der "Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung
der Selbsttötung" der Bundesregierung stellt demgegenüber die
kommerzielle Suizidbeihilfe in den Mittelpunkt. Die Evangelische
Kirche in Deutschland begrüßt diese Initiative der Bundesregierung,
der kommerzialisierten Hilfe zur Selbsttötung rechtlich
entgegenzuwirken. Vor allem unter sozialethischer Perspektive ist
jede Form der kommerziellen Suizidbeihilfe abzulehnen. Es ist das
Ziel evangelischer Bemühungen, Menschen in Grenzsituationen ihres
Lebens zum Leben zu ermutigen, zu unterstützen und, wenn möglich, von
der Selbsttötung abzuhalten. Aktivitäten, die die Intention
verzweifelter und leidender Menschen unterstützen, ihrem Leben ein
Ende zu setzen, stehen zu dieser christlichen Perspektive im
Widerspruch. Leiden und Sterben müssen ernst genommen und Menschen
mit Sterbewunsch angemessen begleitet werden.
Vor diesem Hintergrund spricht sich der Rat der EKD nachdrücklich
dafür aus, nicht nur die gewerbsmäßige, also gewinnorientierte
Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen, sondern jede Form
organisierter (geschäftsmäßiger) Beihilfe zur Selbsttötung.
Hinweis:
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider, wird
am heutigen Montag um 18 Uhr in der Reihe "Treffpunkt Gendarmenmarkt"
an einer Diskussionsveranstaltung unter der Überschrift "In Würde
sterben - an der Hand oder durch die Hand eines anderen?" teilnehmen.
Mit ihm diskutieren die Bundesministerin der Justiz, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger und der klinische Ethiker des
Evangelischen Krankenhauses Bielefeld, Klaus Kobert. Es moderiert der
Redakteur Matthias Kamann (Tageszeitung "Die Welt"). Die
Veranstaltung findet statt im Haus der EKD, Charlottenstraße 53/54,
10117 Berlin.
Hannover, 19. November 2012
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick
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