Der Verfasser des neuen Buches „Die KITA-Klage“ Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Thieler in München weist auf ein Rechtsproblem hin, dass die Gemeinden in Deutschland anscheinend völlig übersehen haben.
(firmenpresse) - Die Gemeinden argumentieren vielfach, dass die Problematik der fehlenden Kinderkrippenplätze dadurch gelöst wird, dass man die Schaffung von Tagespflegestellen für Kleinkinder bei Müttern, die die Pflege übernehmen, unterstützen wird und damit das Problem löst.
Der Bundesgerichtshof hat zu diesem Thema ein Urteil verkündet, das weitgehend unbekannt ist. Danach ist nach der Entscheidung des 5. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2012 die Nutzung einer Wohnung zum Betrieb einer entgeltlichen Tagespflegestelle für bis zu 5 Kleinkindern eine teilgewerbliche Nutzung. Rechtlich bedeutet dies folgendes:
Generell darf ein Mieter und insbesondere auch eine Tagesmutter, die von ihr als Wohnung angemietete Wohnung nur zum Zwecke des Wohnens nutzen. Der Bundesgerichtshof hat zwar eine geringe gewerbliche Tätigkeit des Mieters innerhalb der Wohnung noch im Rahmen der Zulässigkeit gesehen. Die Nutzung als Tagespflegestelle für Kleinkinder dürfte in diesem Bereich nicht mehr sein.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um eine Eigentumswohnung. Hier sah die Teilungserklärung vor, dass eine teilgewerbliche Nutzung möglich ist, wenn dies genehmigt wird. Der Wohnungseigentümer, der an eine Tagesmutter vermieten will, benötigt also die Genehmigung der Eigentümer. Solange diese nicht vorliegt, kann jeder Eigentümer auf Nutzungsuntersagung der Wohnung als Tagesstelle für Kleinkinder klagen.
Sieht die Teilungserklärung generell ein Verbot der Gewerbenutzung vor, dürfte eine Tagespflegestelle in einer Wohnung kaum durchsetzbar sein.
Handelt es sich bei der Wohnung um eine Mietwohnung, so kann der Vermieter die Nutzung untersagen, mit der Begründung, dass die Wohnung zur Benutzung als Wohnung vermietet wurde und nicht zur Benutzung als Tagespflegestelle für Kleinkinder. Gegebenenfalls droht dem Mieter die fristlose Kündigung.
Bei dem Urteil des Bundesgerichtshofs wurde auch darauf hingewiesen, dass gegen die Nutzung nicht im Rahmen der Lärmbelästigung vorgegangen werden kann, da hier das neue Bundesimmisionsschutzgesetz letztendlich die Lärmbelästigung erlaubt.
Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass aus § 24 des Sozialgesetzbuches den Gemeinden die Verpflichtung, Kindertagesstätten zu schaffen, auferlegt, keine Berechtigung enthalten ist, dass Wohnungen hierzu benutzt werden dürfen. Der Bundesgerichtshof führt ausdrücklich auf, dass aus der Zweckbestimmungen von Räumen als Wohnungseigentum oder als Wohnung folgt, dass das Wohneigentum als Wohnung bestimmt ist und sich seine ordnungsgemäße Nutzung nach diesem Zweck richtet. Zwar gehört der Besuch von fremden Kindern oder die Aufsicht von fremden Kindern in den Rahmen der Nachbarschaftshilfe noch zur Wohnraumnutzung. Zu unterscheiden ist jedoch – so der Bundesgerichtshof – die Nutzung der Wohnung zur Erbringung von Betreuungsleistungen gegenüber Dritten in Form einer Pflegestelle für bis zu 5 Kleinkindern, bei denen der Erwerbscharakter im Vordergrund steht. Eine solche teilgewerbliche Nutzung der Wohnung wird vom Wohnzweck nicht mehr getragen, sich zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes zu qualifizieren.
In dem zu entscheidenden Fall haben die Eigentümer gegen die Nutzung geklagt, mit der Begründung, erhöhter Lärmpegel, vermehrter Schmutz im Treppenhaus und erhöhtes Müllaufkommen durch Windeln. Diese Beeinträchtigungen, so die Eigentümer, sind unzumutbar.
Welche Empfehlungen können gegeben werden:
Tagesmütter, die Wohnungen zum Zwecke der Einrichtung einer Tagespflegestelle für Kleinkinder benutzen wollen, sollen dringend bei der Anmietung darauf hinweisen, dass sie eine Tagespflegestelle einrichten möchten. Die Rechtslage ist nicht anders, wenn die Tagespflegestelle in einer Eigentumswohnung der Eigentümer selbst einrichten will. Auch hier muss er damit rechnen, dass die Eigentümergemeinschaft gegen ihn vorgeht und ein Verbot durchsetzt. Der Eigentümer ist gut beraten, wenn er sich vorab die Genehmigung der Eigentümergemeinschaft für die Einrichtung einer Tagespflegestelle einholt. Der Eigentümer, der seine Wohnung an einen Mieter vermietet, der eine Tagespflegestelle einrichtet und hiervon weiß, kann erhebliche Probleme bekommen, wenn die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass die Nutzung unzulässig ist. Er kann, wenn er einen wirksamen Mietvertrag hat und bei der Anmietung wusste, dass der Mieter eine Tagespflegestelle einrichten will, praktisch gegen den Mieter nichts unternehmen, muss aber damit rechnen, dass die Eigentümergemeinschaft gegen ihn klagt, er den Prozess verliert und notfalls Zwangsgelder auferlegt bekommt, um das Urteil, das gegen ihn geführt wird, gegen ihn vollstrecken, obwohl er gegen die Mieter nichts unternehmen kann, da er von der Nutzung wusste.
Hier tauchen Rechtsprobleme auf, die sicherlich in der Praxis noch viele Gerichte beschäftigen werden.
gez. Prof. Dr. Volker Thieler
Die Rechtsanwälte der Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH arbeiten überwiegend in verschiedenen Spezialgebieten, in denen sie sich fundierte juristische Sachkunde und berufliche Erfahrung angeeignet haben.
Die anwaltliche Vertretung in diesen Rechtsgebieten erfolgt bei Mandanten und vor Gerichten im gesamten Bundesgebiet.