(ots) - "Menschenrecht auf Gesundheit und Patentschutz -
ein Widerspruch?" Diese Frage erörterten die Mitglieder des Deutschen
Ethikrates und die eingeladenen Referenten gemeinsam mit mehr als 200
Besuchern im Rahmen einer Abendveranstaltung der Reihe "Forum
Bioethik" am gestrigen Mittwoch in Berlin.
Ein Drittel der Weltbevölkerung habe keinen Zugang zu
lebensnotwendigen Medikamenten; die Hälfte der Betroffenen lebe in
den ärmsten Regionen Afrikas und Asiens, so Christiane Woopen, die
Vorsitzende des Ethikrates, zu Beginn der Veranstaltung. Inwiefern
können Mechanismen der Marktwirtschaft zur Gerechtigkeit in der
Gesundheitsversorgung beitragen? Welche Verantwortung tragen
Industrie, Wissenschaft und Staaten für die Gesundheitsversorgung für
die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern? Bei diesen
Fragen spiele der Patentschutz von Medikamenten eine beispielhafte
Rolle. Einerseits solle der Patentschutz Anreize für die Entwicklung
von Innovationen setzen, andererseits stehe er aber unter dem
Verdacht, den Zugang zu diesen Innovationen zu blockieren und
Menschen von wesentlicher Gesundheitsversorgung abzuschneiden.
Der Völkerrechtler Holger Hestermeyer vom Max-Planck-Institut für
ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg
stellte die rechtlichen Rahmenbedingungen vor: Das Übereinkommen über
handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)
regelt den Patentschutz auf internationaler Ebene und ist für alle
Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation bindend. Es entfaltet
damit unmittelbare materielle Wirkung für die Staaten und
Unternehmen. Demgegenüber sei das im UN-Sozialpakt verbriefte
Menschenrecht auf Gesundheit für den Staat ein Auftrag, aber für den
Bürger nicht einklagbar.
Der Gesundheitswissenschaftler Albrecht Jahn von der Universität
Heidelberg steht dieser Entwicklung kritisch gegenüber. Das
Patentrecht habe nicht dazu geführt, dass die Industrie ihre hohen
Profite in die Forschung an neuen Medikamenten investiere. Die im
Jahr 2001 von der Welthandelsorganisation angenommene
Doha-Deklaration erleichtere es den Staaten trotz Patentschutzes, den
Zugang zu essenziellen Medikamenten zu ermöglichen. Um nachhaltig
eine bessere Versorgung zu gewährleisten, sollten die Kosten für
Forschung und Entwicklung von den Medikamentenpreisen entkoppelt
werden. Vorschläge hierfür hat die CEWG, eine Arbeitsgruppe der WHO,
der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2012 vorgelegt.
Diesen Gedanken unterstrich auch die Philosophin Corinna Mieth von
der Ruhr-Universität Bochum. Patentschutz lasse sich ethisch zwar
rechtfertigen, doch wenn es in einzelnen Bereichen bessere
Alternativen gebe, um Menschen in Not zu helfen, ohne die Interessen
der Industrie übermäßig zu verletzen, dann gebe es eine moralische
Verpflichtung, diese zu verfolgen. Infrage kämen Modelle, die die
Staaten verpflichteten, einen gewissen Teil ihrer Budgets für die
Erforschung und Bereitstellung wichtiger Medikamente für
vernachlässigte Erkrankungen zur Verfügung zu stellen.
Die Suche nach Lösungen stand auch im Fokus des anschließenden
Streitgesprächs. Helge Braun, Staatssekretär im
Bundesforschungsministerium, sprach sich dafür aus, die Erforschung
von Medikamenten zu fördern, für die der Patentschutz kaum Anreize
schaffe. So betreibe die Bundesregierung seit 2010 den Aufbau
gezielter Forschungskooperationen zwischen deutschen und
afrikanischen Institutionen sowie die Beteiligung an
Produktentwicklungspartnerschaften für die Entwicklung und
Finanzierung von Medikamenten.
Cornelius Erbe vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller
argumentierte, die Debatte um den Patentschutz gehe am eigentlichen
Problem vorbei. Die meisten lebensnotwendigen Medikamente seien
längst nicht mehr durch Patente geschützt, die Versorgung der
Menschen scheitere vielmehr an infrastrukturellen, speziell
logistischen Problemen. Hier müsse der Hebel angesetzt werden.
Christiane Fischer von der BUKO-Pharma-Kampagne und gleichzeitig
Mitglied des Ethikrates, kritisierte diese Argumentation. Man könne
von der Pharmaindustrie durchaus erwarten, dass sie dringend
benötigte Medikamente produziere und die Versorgung der Bevölkerungen
in den armen Ländern nicht durch den Patentschutz behindere.
Im Vordergrund der Diskussionsrunde mit dem Publikum standen die
Möglichkeiten der Regulierung des Pharmasektors. Ein Resümee aus dem
Publikum, neue Innovationsanreize außerhalb des Patentrechts zu
schaffen, fand große Zustimmung.
Nun gelte es, die vorhandenen Modelle zur Fortentwicklung des
Patentrechts zu einer strukturverändernden Strategie zu verbinden,
betonte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates
Wolf-Michael Catenhusen in seinem Schlusswort. "Dies ist ein Chance
und eine Verpflichtung für Deutschland, Vorreiter der internationalen
Entwicklung auf dem Gebiet der Gesundheitsforschung zu sein."
Die einzelnen Vorträge und die Diskussion können unter http://www.
ethikrat.org/veranstaltungen/forum-bioethik/menschenrecht-auf-gesundh
eit-und-patentschutz nachgelesen werden. Der Audiomitschnitt ist an
derselben Stelle abrufbar.
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Deutscher Ethikrat
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