(ots) - Dass Angela Merkel sich nicht scheut, unbequeme
Wahrheiten anzusprechen, hat sie zuletzt bei ihrer Visite in Moskau
bewiesen. Damals las sie dem russischen Präsidenten Putin förmlich
die Leviten. Merkel hat nun auch bei ihren Treffen mit dem
israelischen Regierungschef Netanjahu kein Blatt vor den Mund
genommen. Das zeigt, dass sich die Kanzlerin ihrer starken Stellung
unter den Staatenlenkern dieser Welt durchaus bewusst ist. Merkel
kann es sich leisten, in aller Freundschaft die Dinge beim Namen zu
nennen. Sie wird gehört. Wenn auch widerwillig. Angela Merkel hat
2008 in ihrer Rede vor der Knesset als erste deutsche Kanzlerin die
Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärt. Am Donnerstag
hat sie es wieder getan. Unabhängig davon, dass unklar ist, wie
absolut die Hilfe Deutschlands im Ernstfall sein könnte, hat Merkel
mit diesem Versprechen auch den politischen Weg geebnet, heikle
Punkte zur Sprache bringen zu können. Es ist daher eine Mär, dass
deutsche Politiker angesichts der gemeinsamen Geschichte des
Holocaust sich nicht trauen, Israel zu kritisieren. Merkels Hinweise
auf die Gefährdung des Friedens durch den israelischen Siedlungsbau
belegen das Gegenteil. Die Solidarität mit dem jüdischen Staat zu
pflegen, wie bei den jüngsten Raketenangriffen aus Gaza, aber
gleichzeitig die Nöte der Palästinenser zu respektieren, ist zudem
von jeher ein kluger Bestandteil deutscher Außenpolitik im Nahen
Osten gewesen. Dieser Versuch einer gewissen Balance wird von
israelischer Seite akzeptiert, was ein Zeichen der Solidität des über
Jahrzehnte gewachsenen Verhältnisses ist. Der Wunsch der
Bundesregierung nach einer Zwei-Staaten-Lösung ist da nur
folgerichtig. Somit könnte es nach den USA wohl am ehesten noch der
Bundesregierung gelingen, beschwichtigend zu wirken und so eine sich
weiter aufbauende Eskalation im Nahen Osten einzudämmen. Gleichwohl
darf nicht vergessen werden: Im Verhältnis zu Israel hat die
europäische Komponente deutlich an Bedeutung gewonnen. Das Land hat
in der Vergangenheit Europa wenig ernst genommen. Dadurch, dass die
europäischen Staaten bei der Palästina-Abstimmung in der Uno ein
kritisches Zeichen gesetzt haben, hat Israel erkennen müssen, dass
sich die Beziehungen zu Deutschland nicht mehr von den Beziehungen zu
Europa trennen lassen - wenn man für die eigene Politik um
Verständnis werben will. Zudem ist die Bundesrepublik mittlerweile
für den jüdischen Staat der wichtigste wirtschaftliche Türöffner in
die EU hinein geworden. Das alles sollten Gründe für die Kanzlerin
sein, sich von einem "enttäuschten" Netanjahu auch weiterhin nicht
beeindrucken zu lassen.
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