(ots) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat RTL-Chefredakteur
Peter Kloeppel am Montagnachmittag ein Interview zum Zustand und zu
den künftigen Aufgaben der Europäischen Union gegeben. Das Gespräch
fand in Oslo statt, wo die Bundeskanzlerin heute an der Zeremonie zur
Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU teilgenommen hatte.
Sie sei "ganz anders als sehr oft sehr bewegt" gewesen, als sie
von der Vergabe des Nobelpreises an die EU erfahren habe, so die
Kanzlerin im RTL-Interview. Gerade im Zeichen der anhalten Finanz-
und Schuldenkrise ausgezeichnet zu werden, habe sie "als unglaublich
ermutigend empfunden. Ich glaube, dass es ein wunderbarer Moment ist,
einmal darüber nachzudenken, was unsere Vorgänger geschaffen haben,
von Konrad Adenauer über Helmut Kohl, von Schuman über Monnet und
viele, viele andere. Aber es ist vor allem für die, die heute
politisch aktiv sind, eine Ermutigung, nicht nachzulassen." Was der
EU heute noch fehle, sei die Wettbewerbsfähigkeit. "Wir müssen jetzt
gucken, dass wir unseren Wohlstand für die Zukunft erhalten können.
Das bedeutet vor allem Arbeitsplätze, dazu brauchen wir Wachstum,
dazu brauchen wir die Tatsache, dass wir nicht immer auf Pump leben,
sondern dass wir mit dem auskommen, was wir erarbeiten. Das sind
jetzt die Herausforderungen für unsere Generation." Das norwegische
Nobelpreiskomitee habe der EU "ein Vertrauen ausgesprochen,
kombiniert mit einer Erwartung" so Merkel weiter. Es gelte, die 500
Millionen Europäer zusammenzuhalten, enger zusammenzuarbeiten und vor
allem die gemeinsamen Werte zu verteidigen. Zu der Kritik am Ausmaß
der EU-Bürokratie sagte die Bundeskanzlerin, "da ist manches sicher
nicht im Gleichgewicht... Wir haben in Europa etwas vielleicht
mindestens so stark wie bei uns zuhause. Immer wieder muss die Frage
gestellt werden, welche Kompetenz braucht Europa, warum ist das gut
und kann man nicht etwas wieder näher zu den Menschen zurückbringen.
Und wenn man manche Diskussionen über normierte Zucchini und Bananen
hört, dann kann ich sehr gut verstehen, dass die Menschen in Europa
fragen, warum kümmern die sich darum. Deshalb heißt mehr Europa nicht
einfach immer mehr nach Brüssel, sondern es muss das nach Brüssel,
was nur dort besser gelöst werden kann als zuhause."
Angela Merkel zu der vermeintliche Rolle der Deutschen als Buhmann
in Europa: "Wir müssen ein bisschen streng zueinander sein im
Augenblick, damit wir zum Schluss alle gemeinsam erfolgreich sind.
Natürlich beschwert mich dass, wenn ich sehe, dass manchmal auch
Vorurteile hervorgerufen werden, aber ich glaube, es ist besser, sich
zu versuchen, in Freundschaft die Wahrheit zu sagen, dann aber auch
wieder solidarisch miteinander zu sein." Ihre Vision von Europa sei
nicht die von Vereinigten Staaten von Europa, "da denkt jeder an die
Vereinigten Staaten von Amerika. Aber ich glaube, wir brauchen noch
mehr Gemeinsamkeit, wir müssen enger zusammenarbeiten, insbesondere
in der Euro-Zone, wo wir eine Währung haben. Wenn wir nicht eine
ähnliche Wettbewerbsfähigkeit haben, wenn wir nicht ähnlich stark
sind, dann wird es sehr schwer, auch mit einer Währung klarzukommen".
Auf die Frage, ob das Schlimmste in der Euro-Krise überstanden
sei, sagte Merkel: "Ich glaube, dass die Internationale Gemeinschaft
verstanden hat, dass der Euro von uns verteidigt wird. Ich glaube
noch nicht, dass wir unserer Wettbewerbsfähigkeit wieder gewonnen
haben, da müssen die Reformen in vielen Ländern noch weitergehen. Ich
glaube auch noch nicht, dass wir die Art von Zusammenarbeit gefunden
haben in der Eurogruppe, die wir brauchen, aber wir sind auf einem
guten Weg. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren gezeigt, wir
wollen das schaffen, aber wir sind immer noch mitten im Prozess drin.
Ich kann noch keine Entwarnung geben vollkommen, ich bin vorsichtig
optimistisch."
Die wichtigsten Auszüge werden am Montag in den Hauptnachrichten
"RTL Aktuell" um 18.45 Uhr und bei n-tv ausgestrahlt. Bei
Zitatverwendung aus dem nachfolgenden Wortlaut-Interview bitte den
Quellenhinweis "RTL Aktuell" beachten.
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