(ots) - In den grenznahen Regionen zu Frankreich - und
Deutschland hat 450 Kilometer davon - ist die deutsch-französische
Freundschaft gelebte Realität. Woanders nicht unbedingt. Das
Sehnsuchtsland der Deutschen, der jungen jedenfalls, sind seit jeher
die USA. In den Urlaub fahren sie lieber nach Italien oder Spanien,
Fußball gucken sie emotionaler mit den Holländern, und Krimiserien
ließen sie meist in London spielen. In den Schulen schwindet die
Neigung, Französisch zu lernen. Einfach weil Spanisch nach Englisch
die wichtigste Weltsprache geworden ist, vielleicht noch Chinesisch
oder Russisch. Frankreichs Jugend sieht es übrigens nicht anders. Ein
Franzosenfreund ist heute ein Alt-68er mit Baskenmütze, der auf
Rotwein, Boule und Flohmärkte schwört und Georges Brassens hört - von
der Schallplatte. Der von Konrad Adenauer und Charles De Gaulle
unterzeichnete Élysée-Vertrag hat vor 50Jahren die
deutsch-französische Freundschaft begründet. Er hat sie
institutionalisiert wie ein Eheversprechen. Die unmittelbare
Kriegserfahrung wenige Jahre zuvor war der emotionale Hintergrund,
die Vision eines friedlichen Europas die Triebfeder. Doch die
Kriegserfahrung ist verschwunden wie ein schlechter Geruch und das
Europa offener Grenzen, gemeinsamer Märkte und einer gemeinsamen
Währung längst Realität. Die jüngere Generation jedenfalls kann den
aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammenden Begründungsimpuls für
dieses besondere Bündnis kaum noch nachempfinden. Krieg
gegeneinander, das ist heute zum Glück undenkbar geworden. Wirklich
im Sinne von: Kann nicht mehr gedacht werden. Den aus der DDR
stammenden Bundesbürgern fehlt das deutsch-französische Gen sowieso
in ihrem kollektiven Geschichtsbewusstsein. Auch diese Ehe ist im
Alltag angekommen. Es ist denkbar, sogar wahrscheinlich, dass der
Gedanke der deutsch-französischen Freundschaft eher gewinnt, wenn man
ihn entmystifiziert. Wenn man übertreibende Gedenkveranstaltungen wie
die am Dienstag in Berlin auf das notwendige Jubiläumsmaß beschränkt
und die Beziehung zwischen den beiden Nationen als das betrachtet,
was sie ist: Europäische Normalität, die es allerdings täglich zu
gestalten gilt. Und da ist durchaus viel Luft nach oben. Ganz
praktisch in den Grenzregionen, wo es noch manche bürokratische Hürde
gibt. Dann die große politische Zusammenarbeit, die mit Frankreich
zwar enger ist als mit anderen Staaten, aber, wie sich in der
Euro-Krise gezeigt hat, durchaus nicht frei vom beiderseitigen Dünkel
angeblicher Ãœberlegenheit des eigenen Wirtschafts- und
Gesellschaftsmodells. Kulturell wächst man mit den zurückgehenden
Sprachkenntnissen eher wieder auseinander. Und in der Außen- und
Sicherheitspolitik folgen beide Länder unterschiedlichen Interessen
und Philosophien, wie man in Libyen und jetzt in Mali sehen konnte.
Das eigentliche Wunder ist ein ganz anderes: Deutschland kooperiert
nicht nur eng mit Frankreich, es kooperiert auch eng mit allen seinen
anderen Nachbarn. Und Deutschland hat viele davon, neun. Es
kooperiert mit ihnen aus ökonomischen und politischen Gründen
unterschiedlich stark, aber, das ist das Wesentliche, es kooperiert
mit allen ziemlich gut. Frankreich mit seinen acht Nachbarn übrigens
auch. Ohne den Impuls des Élysée-Vertrages hätte es dieses allseitige
europäische Wunder nicht gegeben. Jedenfalls nicht so und nicht so
schnell. Adenauer und De Gaulle sei Dank.
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