(ots) - Wenigstens hat David Cameron seine Rede nicht am
22. Januar gehalten. Dieser Termin war nach mehreren Verschiebungen
tatsächlich eine Zeitlang ins Auge gefasst worden - aber ausgerechnet
an dem Tage, an dem Deutschland und Frankreich 50Jahre
Élysée-Vertrag feierten, wollte der britische Premier dann wohl doch
nicht einen Prozess in Gang setzen, der in einem Abschied seines
Landes von der Europäischen Union enden könnte. Also tat er es
einfach einen Tag später. Cameron spielt mit dem Feuer. Dabei ist es
ja gar nicht so, dass er den EU-Ausstieg will. Im Gegenteil: Der
Tory-Chef dürfte sich sehr wohl bewusst sein, dass ein solcher
Schritt den ökonomischen Interessen Großbritanniens außerordentlich
abträglich wäre. In Wahrheit ist der britische Premier ein
Getriebener: In seiner Partei gewinnt der militante Euro-Skeptizimus
angesichts der kontinentalen Schuldenkrise mehr und mehr die
Oberhand. Und rechts von ihr macht die United Kingdom Independence
Party (UKIP) mit ihrem charismatischen Chef Nigel Farage Druck, die
den Abschied Großbritanniens von Europa ausdrücklich zu ihrem
wichtigsten Ziel erklärt hat. Mit der Ankündigung eines
entscheidenden Referendums, das irgendwann zwischen 2015 und 2017
stattfinden soll, will Cameron Zeit gewinnen und den britischen
Euro-Gegnern erst einmal den Wind aus den Segeln nehmen. Auch, indem
er den übrigen Europäern unmissverständlich signalisiert: Wir
akzeptieren nur ein Europa nach unseren Vorstellungen. Der liberale
Europaabgeordnete und frühere Premierminister Belgiens, Guy
Verhofstadt, hat Cameron deshalb nicht zu Unrecht mit einem
Selbstmordbomber verglichen, der drohe, sich in die Luft zu sprengen,
wenn er nicht seinen Willen bekommt. Es ist kaum zu erwarten, dass
die übrigen EU-Staaten sich davon allzu sehr beeindrucken lassen.
Dabei steht der Reformbedarf der Union ja außer Frage: Es gibt
Demokratiedefizite und Ãœberregulierung, Entscheidungswege sind oft zu
undurchsichtig, es müssen die richtigen Konsequenzen aus der Finanz-
und Schuldenkrise gezogen werden. Aber welche sind das? Mehr oder
weniger Europa? Elf EU-Länder haben diese Woche die Einführung einer
Finanztransaktionssteuer beschlossen. Großbritannien war nicht dabei
- weil es dem Land in erster Linie darum geht, seinen Finanzplatz
London zu schützen. Es spricht vieles dafür, dass die Zukunft Europas
genau so aussehen wird: Einige Staaten gehen voran, einige bleiben
zurück. Und einige steigen vielleicht sogar aus. Für Großbritannien
bedeutete dies das politische Abseits. Es führt kein Weg zurück ins
glorreiche Empire. Der Kontinent und die Welt sind heute mit
Problemen einer Dimension konfrontiert, denen der klassische
Nationalstaat alleine nicht mehr gewachsen ist. Bemerkenswerterweise
sieht das offenbar auch eine relevante Gruppe in Großbritannien so:
Zwar würde einer Umfrage zufolge derzeit die Hälfte der Bevölkerung
für einen EU-Austritt stimmen. Aber bei den unter 34-Jährigen sind
die Befürworter der Union mit stolzen zwei Dritteln deutlich in der
Mehrheit. Es gibt Hoffnung für die Insel.
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