(ots) - Die ersten Ortskräfte der Bundeswehr in
Afghanistan haben die Aufnahme in Deutschland beantragt. Ein Sprecher
des Bundesinnenministeriums bestätigte dem Radiosender NDR Info, es
lägen bisher drei Anträge von Mitarbeitern vor, "die nach deren
eigener Einschätzung eine besondere individuelle Bedrohung
anzeigten". Durch den Abzug deutscher Soldaten befürchten viele der
weit über tausend afghanischen Ortskräfte nach Einschätzung von Pro
Asyl Repressalien, vor allem durch Taliban. Nach Angaben der
Menschenrechtsorganisation informiert die Bundeswehr ihre lokalen
Mitarbeiter nicht aktiv über Möglichkeiten für eine Umsiedlung nach
Deutschland. Pro Asyl und die Grünen fordern eine großzügige Regelung
für gefährdete Ortskräfte.
Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour,
spricht von einer "moralischen Verpflichtung" der Bundesrepublik,
"den Menschen, die ihr geholfen haben, auch zu helfen". Es lägen
schon konkrete Bedrohungen vor, sagte der Bundestagsabgeordnete NDR
Info: "Es gibt bereits Berichte von Personen, die von Aufständischen
als Kollaborateure gebrandmarkt werden. Es gab auch schon einmal
einen Fall, bei dem ein Kind eines Übersetzers entführt wurde. Und
zwar mit der Ansage: Wir entführen dich, weil dein Vater mit den
Deutschen zusammenarbeitet." Der langjährige Bundeswehr-Dolmetscher
Mohammed Hanif aus Kundus berichtet: "Schon öfter wurde gesagt: Der
Hanif muss aus den deutschen Organisationen raus, sonst werden wir
ihn umbringen." Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von
Pro Asyl, fordert, konkret bedrohte Mitarbeiter müssten sofort außer
Landes gebracht werden.
Mesovic berichtet aus Gesprächen mit Ortskräften, die Bundeswehr
weise ihre Mitarbeiter nicht aktiv auf Möglichkeiten zur Aufnahme in
Deutschland hin. Das bestätigt Mohammed Hanif: "Was mit uns passiert,
wenn wir die Arbeit verlieren oder rausgehen, darüber hat uns bisher
keiner etwas gesagt." Der Grünen-Verteidigungspolitiker Nouripour
forderte die Bundeswehr auf, ihre Ortskräfte zu informieren: "Was
hilft es, wenn die Leute davon nichts erfahren und am nächsten Tag
passiert ihnen etwas Schlimmes, weil sie nicht geschützt sind, aber
auch, weil sie nicht wussten, dass sie woanders Schutz bekommen
können."
Pro Asyl verteilt jetzt ein Hinweisblatt für Ortskräfte in
Afghanistan, in dem die Hilfsorganisation auch juristische
Unterstützung anbietet. Das Bundesverteidigungsministerium äußerte
sich dazu auf Anfrage von NDR Info zunächst nicht.
Pro Asyl plädiert für ein "geordnetes Aufnahmeprogramm" für
bedrohte Ortskräfte und ihre Familien. Eine generelle Lösung lehnt
die Bundesregierung jedoch bislang ab. Das Innenministerium erklärt
dazu: "Sollte ausnahmsweise bei unseren ehemaligen Ortskräften der
Fall eintreten, dass die individuelle Bedrohung ein unvertretbares
Maß annimmt, so wird die Option geprüft, dass diese Person mit einem
zu definierenden Familienumfeld in Deutschland eine Heimat findet. Es
wird dabei immer eine Einzelfallentscheidung geben." Die in
Afghanistan tätigen Ressorts seien sich jedoch "der Fürsorgepflicht
gegenüber ihren afghanischen Mitarbeitern bewusst".
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