(ots) - Wer auch nur einmal als Beobachter einen
nächtlichen Geldverteilungsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs
miterlebt hat, der ahnt, welche zumindest physische und nervliche
Leistung Angela Merkel und ihre männlichen Kollegen einmal mehr
bestanden haben. Die inhaltliche steht dazu leider einmal mehr nicht
im Verhältnis. Der mühsam ausgehandelte Kompromiss endete in einem
Nehmen und Geben, das zwar den meisten Teilnehmern Gesichtswahrung
gegenüber dem eigenen Wählervolk erlaubt. Die seit Jahren beklagten
strukturellen Fehlsteuerungen werden durch das Budget 2014 bis 2020
wieder nicht repariert.
Ein kleiner Fortschritt immerhin ist es, dass der Haushalt für die
kommenden sieben Jahre erstmals sinkt. Mit einer realen
Ausgabenobergrenze von knapp 910 Milliarden gegenüber der
ursprünglichen Forderung von etwas mehr als einer Billion Euro setzt
die EU - wie notgedrungen auch die meisten nationalen Regierungen -
ein bescheidenes Zeichen zur Sparsamkeit. Ein Hoffnungsschimmerlein
angesichts einer Runde von letztlich 27 nationalen Egoisten, von
denen die Wohlhabenderen nicht mehr abgeben und die Ärmeren mehr
abhaben wollen. Dank seiner überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft
bleibt Deutschland zwar weiter der größte Beitragszahler. Angela
Merkel konnte die Überweisungen nach Brüssel aber weitgehend deckeln.
Den Rückflug nach Berlin hat sie also einigermaßen zufrieden
angetreten.
Schaut man allerdings genauer in den Haushalt, dann ist der schöne
Schein dahin und das ganze Dilemma offenkundig. Wiederum werden fast
zwei Drittel aller Ausgaben in die Landwirtschaft und in die
Hilfsfonds zur Verbesserung der Wirtschaftsstrukturen
unterentwickelter Regionen fließen. Zukunftsinvestitionen in neue
Daten- und Stromnetze, Verkehrssysteme, neue Energieträger und
Forschungsprojekte nehmen sich dagegen vergleichsweise bescheiden
aus. Wann endlich haben die Regierungschefs den Mut, der Agrarlobby
die Grenzen aufzuzeigen? Wann endlich werden Agrarindustrien und
umweltschädliche Produktionsweisen nicht länger über Gebühr mit dem
Steuergeld der Verbraucher subventioniert? Nichts gegen regionale
Förderung, wenn sie - wie im Osten Deutschlands nach der Wende -
wirtschaftliche Anstöße auslöst und ihre Verwendung kontrolliert
wird. Aber nicht allein das Beispiel Griechenland zeigt, wie
wirkungslos Milliardensummen verpuffen, wenn sie anders als
eigentlich bewilligt ausgegeben werden. Korruption ist dafür nur ein
Beleg. Erst kürzlich konstatierte das Zentrum für Europäische
Wirtschaftsforschung, bei optimistischer Betrachtung versprächen 22
Prozent der EU-Förderprojekte keinen langfristigen Wachstumseffekt,
bei pessimistischer Betrachtung gar 66 Prozent.
Die EU hat keine Finanznot. Sie muss ihr vieles Geld nur endlich
zielsicherer und damit zukunftssichernd einsetzen. Das müssen auch
die EU-Parlamentarier einsehen, die erstmals über den Haushalt
mitentscheiden. Wenn Parlamentspräsident und Sozialdemokrat Martin
Schulz das nicht will, rechnet er sich den Euro zu bequem.
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