(ots) - Mit dem ersten Rücktritt eines Papstes in der
Neuzeit drückt Benedikt XVI. seinem Pontifikat einen Stempel auf: In
weltweit höchst schwierigen Zeiten für die katholische Kirche, macht
er für einen Nachfolger Platz. Er stellt das Amt über sich selbst und
beweist die Größe und Bescheidenheit, die er während seines gesamten
Pontifikats gezeigt hat. Im Internet, das vermeintlich stets vor
Religionshäme trieft, wurde in einem Leserkommentar auf den Punkt
gebracht, was der Papst mit seinem Schritt so eindrucksvoll
demonstriert hat: "Für manche Aufgaben braucht es die ganze Kraft.
Und für Vernunft braucht es manchmal einen Bayern." Mit großen Reden
und Predigten hat Benedikt XVI. sein Pontifikat geprägt.
Eindrucksvoll in Erinnerung: Die Ansprachen bei seinem
Deutschlandbesuch 2011, die sich zu einem Gesamtwerk zusammenfügten,
das lange nachwirkt und Debatten entzündete - etwa die Positionen zur
Rolle der Politik oder aber zur Stellung der Laien in der Kirche. Nun
geht der Papst der Worte, doch der wortgewaltige Joseph Ratzinger
bleibt. Es wäre zu wünschen, dass er sich auch nach seinem Rücktritt
in gesellschaftliche Debatten einmischt und sich dem Bücherschreiben
widmet. Der große Kirchendenker hat noch viel zu sagen. Doch ob er es
macht, ist ungewiss. Joseph Ratzinger wird nichts tun, womit er
seinem Nachfolger in die Parade fährt. Die Rolle des "Papst a.D."
muss im Vatikan ohnehin erst erfunden werden. Wie sehr Benedikt XVI.
die körperlichen Kräfte verlassen haben, war unübersehbar. Schon 2011
in Deutschland setzte er seine Schritte mit größter Vorsicht - immer
waren Begleiter in seiner Nähe, um einen Sturz zu vermeiden. In den
letzten Monaten waren seine Kräfte weiter geschwunden. Joseph
Ratzinger aber wollte sicherstellen, dass die Kirche ein kraftvoll
agierendes Oberhaupt behält. Als enger Vertrauter seines
Amtsvorgängers Papst Johannes Paul II. hatte er aus der Nähe
miterlebt, wie sehr die Handlungsmöglichkeiten am Ende eingeschränkt
sein können. Das wollte er seiner Kirche, die 2013 vor harten
Bewährungsproben und wichtigen Richtungsentscheidungen steht, nicht
zumuten. Gerade eben bläst der Gegenwind wieder besonders stürmisch -
angefacht durch Äußerungen hoher Kirchenrepräsentanten. Der Kölner
Kardinal Joachim Meisner etwa diagnostizierte eine "Kathophobie" in
der Gesellschaft, und meinte damit eine angeblich durchweg
feindselige Stimmung gegen die katholische Kirche. Der neue Papst
muss diese völlig überzogenen Aufgeregtheiten unterbinden. Die ersten
Reaktionen auf den Papstrücktritt waren positiv - die negativen Töne
werden in einer zweiten Welle folgen. Tatsächlich gibt es berechtigte
Kritik am Pontifikat. Benedikts zu großes Entgegenkommen für die
Piusbruder, entstanden aus der Sehnsucht nach Einheit in der Kirche,
ist dafür ein Beispiel. Bei der Regensburger Rede, die für Aufruhr im
Islam sorgte, unterschätzte er 2006 die Wucht seiner Worte. Der kühne
Denker Joseph Ratzinger, geprägt durch die Volksfrömmigkeit seiner
Jugend, wusste auch nicht immer eine überzeugende Antwort auf die
Wünsche der Gläubigen i m 21. Jahrhundert. Nichtsdestotrotz: Am Ende
überwiegen die positiven Seiten seiner Amtszeit. Benedikt XVI. war
sich seit Monaten über seinen Rücktritt klar. In der verbleibenden
Zeit hat er wichtige personelle Weichen gestellt - für Rom und für
Bayern. Er hat Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der römischen
Glaubenskongregation ernannt und Rudolf Voderholzer zu Müllers
Nachfolger in Regensburg. Entscheidungen, die ohnehin auf der Agenda
standen - sie waren ihm aber auch persönlich wichtig. Die
entscheidende Frage bleibt nun: Wer folgt auf Benedikt XVI.? Und wird
der neue Pontifex nicht nur Kraft, sondern auch Größe besitzen?
Faktoren, die sein Vorgänger für so unabdingbar hält, dass er aus dem
Amt scheidet, weil er glaubt, den eigenen hohen Ansprüchen nicht mehr
gerecht zu werden.
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