(ots) - Die USA hoffen nach dem Tod von Chávez auf
einen Neuanfang in den Beziehungen zu der ölreichen Nation.
Hugo Chávez rangiert auf der Beliebtheitsskala der Amerikaner
gleich hinter dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro. Mit
seinem giftigen Anti-Amerikanismus und regelmäßigen Ausfällen gegen
die Präsidenten der Supermacht machte sich "El Comandante" in den USA
nur wenige Freunde. George W. Bush verglich er 2006 vor den Vereinten
Nationen mit dem Leibhaftigen. Und Präsident Barack Obama nannte er
vor nicht allzu langer Zeit noch einen Clown. Kein Wunder, dass
abgesehen von Sean Penn, Oliver Stone und Michael Moore dem
Verstorbenen kaum jemand eine Träne nachweint. Obama erwähnt ihn
genau ein einziges Mal in dem Statement zum Tod des venezolanischen
Präsidenten. Kein Wort zu der zentralen Rolle, die Chávez in den
vergangenen 14 Jahren in Lateinamerika spielte oder den selbst von
seinen Gegnern nicht bestrittenen Leistungen bei der Bekämpfung der
Armut in seinem eigenen Land. Stattdessen richtet das Weiße Haus den
Blick nach vorn auf "ein neues Kapitel" in den Beziehungen. Die USA
blieben einer Politik verpflichtet, die Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte respektiert. Zwischen den
Zeilen lässt sich herauslesen, wie sehr der sozialistische Narziss
aus Caracas die Supermacht genervt hat. Chávez nutzte die
Petro-Dollar, die er als einer der Hauptöllieferanten in den USA
einnahm, offensiv, den Einfluss der Nordamerikaner in der südlichen
Hemisphäre zurückzudrängen. Sehr zum Ärger Washingtons half er dem
kommunistischen Regime auf Kuba, zu überleben. Gleichzeitig
überzeugte er linke Regierungen in anderen Staaten Lateinamerikas,
dass es eine Alternative zu der von den USA erträumten
Freihandelszone von Alaska bis Feuerland gebe. Dass der Kontinent
heute seine eigenen Wege geht, ist aber nur zum Teil das Verdienst
Chávez , der mit seiner flamboyanten Selbstgefälligkeit auch in den
Nachbarstaaten aneckte. Sehr viel nachhaltiger dürfte der Einfluss
des Brasilianers Lula gewesen sein, der mit ruhiger Hand und ohne
öffentliche Ausfälle die enormen Ressourcen seines Landes nutzte,
neue Wege bei der Armutsbekämpfung und auf internationaler Bühne zu
beschreiten. Egal, wie sich die Gewichte verteilen, aus Sicht
Washingtons ist das Ergebnis in jedem Fall unerfreulich. Die 1994 auf
dem Amerika-Gipfel in Miami formulierte Vision eines gemeinsamen
Wirtschaftsraums mit offenen Märkten und liberalen Demokratien ist
heute nur noch eine ferne Erinnerung. Und um die Kontrolle auf dem
Hinterhof der Supermacht konkurriert heute eine Vielzahl an
politischen Kräften. Was sich nicht verändert hat, ist die
Abhängigkeit der USA von den Öllieferungen aus Venezuela, das eine
der 2,5 Millionen Barrel Rohöl, die es jeden Tag aus der Erde pumpt,
an Onkel Sam verkauft. Nur wenige Amerikaner wissen von den
kostenlosen Heizhilfen, mit denen Chávez via CITGO armen
Nachbarschaften in den USA half. Propaganda einerseits, aber auch
Ausdruck der Hassliebe, die den "Comandante" mit der Supermacht
verband. Nach seiner ersten Wahl reiste er nach New York, um an der
Wall Street die Glocke zur Eröffnung der Börse zu schlagen und
eröffnete als lebenslanger Baseballfan ein Spiel im Stadion der
Yankees. Einmal empfing ihn sogar Bill Clinton im Weißen Haus. Dass
er andererseits Diktatoren wie Saddam Hussein, Bashar al-Assad,
Muammar Gaddafi oder Mahmud Ahmadinejad hofierte, unterstrich Chávez
eigenen Komplex gegenüber der Supermacht. Die Ausweisung der beiden
US-Diplomaten am Vorabend seines Todes wegen angeblicher
Destabilisierungsversuche lässt befürchten, dass vor einem neuen
Kapitel in den Beziehungen, dem alten ein paar Seiten hinzugefügt
werden.
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