(ots) - Japan hat nichts gelernt
von Louisa Knobloch
Mitte März signalisiert die Kirschblüte in Japan den Beginn des
Frühlings. Die Menschen aus Fukushima, die nach der Natur- und
Atomkatastrophe vor genau zwei Jahren ihre Heimat verlassen mussten,
werden sich wohl nicht an der weiß-rosa Pracht erfreuen können. Denn
im Gegensatz zu den vergänglichen Kirschblüten, die ein kräftiger
Wind oder ein Regenschauer wegwehen kann, sind die Folgen der
Atomkatastrophe überaus dauerhaft. Zwei Jahre nach dem Unglück laufen
die Aufräumarbeiten, aber viele Fragen sind noch offen. Rund 40 Jahre
sind als Zeitraum für den Rückbau des havarierten Atomkraftwerks
Fukushima Daiichi angesetzt. Die Reaktoren müssen nach wie vor
gekühlt werden. Um das radioaktiv kontaminierte Wasser zu sammeln,
werden auf dem Gelände immer mehr Tanks aufgestellt. Umweltschützer
befürchten, dass diese strahlenden Abwässer irgendwann ins Meer
geleitet werden, wenn der Platz nicht mehr ausreicht. Auch in den
evakuierten Städten und Gemeinden um das Kernkraftwerk herum wird
aufgeräumt und dekontaminiert. Häuser, Straßen, aber auch Wiesen und
Felder sollen von den strahlenden Rückständen befreit werden. Dazu
werden beispielsweise die obersten fünf Zentimeter des Bodens
abgetragen und Laub und Äste aufgesammelt. Dieses Material wandert in
Plastiksäcke, die sich nun zu hunderten an vielen Orten stapeln, da
es kein Zwischenlager dafür gibt. Anfang April sollen Menschen aus
dem Rand der Evakuierungszone aus den Behelfsunterkünften in ihre
Heimat zurückkehren - die Strahlungswerte dort seien durch die
Dekontaminierung unter die Grenzwerte gesunken, heißt es. Doch viele
Menschen - vor allem Familien mit Kindern - haben Angst vor der
Strahlung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht in einem
aktuellen Bericht nur von einem leicht erhöhten Risiko aus, dass
Menschen, die in unmittelbar betroffenen Gebieten der Strahlung
ausgesetzt waren, an Blut-, Brust- oder Schilddrüsenkrebs erkranken.
Bei den Arbeitern, die während der Havarie im Atomkraftwerk im
Einsatz waren, gehen die WHO-Experten bei einem Drittel von einem
erhöhten Krebsrisiko aus. Greenpeace und die atomkritische
Ärzteorganisation IPPNW haben diese Zahlen als zu niedrig kritisiert.
Schwer wiegen zudem die psychischen Belastungen der Betroffenen, die
nicht nur ihre Heimat, sondern auch Angehörige und Freunde verloren
haben und wegen einer möglichen Verstrahlung zudem stigmatisiert
werden. Durch die Katastrophe wurden ganze Landstriche teils auf
Jahrzehnte hinaus unbewohnbar, die Kosten für Aufräumarbeiten und
Entschädigungen gehen in die Milliarden. Dennoch hat Japans im
Dezember neu gewählter Premierminister Shinzo Abe angekündigt, den
von der Vorgängerregierung angestrebten Atomausstieg bis 2040
überprüfen zu wollen. Abe ist ein Atomkraft-Befürworter, er hat sogar
den Bau neuer Reaktoren in Aussicht gestellt. Diese würden sich von
der Anlage in Fukushima grundlegend unterscheiden, betonte er im
Fernsehen. Dass Japan trotz dieser Katastrophe weiterhin auf
Kernenergie setzt, ist ein Beweis dafür, wie groß der Einfluss der
Wirtschaft ist. Dabei hat Fukushima gezeigt, welche Gefahren diese
Technologie mit sich bringt. Gerade in einem von Naturkatastrophen
betroffenen Land wie Japan kann es so etwas wie "sichere
Atomkraftwerke" nicht geben. Ein Ausstieg aus der Kernenergie, wie
ihn Deutschland derzeit vollzieht, ist die einzig richtige Lehre aus
Fukushima. Doch auch hier ist noch nicht geklärt, was mit dem
weiterhin anfallenden Atommüll passieren soll. Und selbst in einem
Endlager werden die radioaktiven Abfälle noch sehr, sehr lange Zeit
weiter strahlen.
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