(ots) - Es ist der große Unbekannte. Jorge Mario
Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires. Der Kandidat, den niemand so
richtig auf der Liste hatte, garantiert kein Favorit bei den
Buchmachern. Es ist der erste Nicht-Europäer seit der Spätantike, als
es mit Gelasius I. einen Papst aus dem Norden Afrikas gab. Der erste
Franziskus, der erste Papst aus dem Jesuitenorden überhaupt. Ein
Papst der Premieren, oder doch eher ein gebrechlicher
Übergangskandidat? Mit dem 76-jährigen Argentinier wird die
katholische Kirche jedenfalls stärker als bisher als wahrhaft globale
Organisation auftreten können. Bergoglio kennt die Situation in
Südamerika, er kommt aus einem Land, das unter der weltweiten
Wirtschaftskrise so stark leidet wie kaum ein zweites. "Kardinal der
Armen" hat man ihn genannt. In der weltweiten Debatte um
Globalisierung kann er eine starke Stimme haben - wenn ihm nicht sein
ungeklärtes Verhältnis zur argentinischen Militärdiktatur Probleme
macht. Und gleichzeitig steht der Jesuitenpater Bergoglio für die
gebildete Spiritualität seines Ordens. Für jenen Orden, der unter dem
Eindruck der Reformation in Europa gegründet wurde, um die
Gegenreformation voranzubringen. Ein Bekenntnis, kurz vor dem 500.
Jubiläum von Martin Luthers Thesenanschlag im Jahr 2017? Während sein
Vorgänger die Kirche in Deutschland kannte, während Benedikt XVI. die
Probleme der Ökumene wohl bewusst waren, wird man abwarten müssen,
wie sehr sie und andere deutsche Anliegen im Pontifikat von
Franziskus I. eine Rolle spielen werden. Aus deutscher Sicht
jedenfalls ist Rom am Mittwochabend ein ganzes Stück in die Ferne
gerückt, in die Armenviertel von Südamerika. Und schon auf dem Balkon
des Petersdoms wirkte der Argentinier gebrechlich. Wird er wirklich
die schweren Aufgaben schultern können, die in Rom anstehen? Die
römische Kurie muss dringend reformiert werden. Die Spannungen
zwischen gelebtem Glauben und postmoderner Gesellschaft stellen die
Kirche vor ungeahnte Herausforderungen. Und was ist mit den Erblasten
des Vorgängers - der immer noch schwelenden Debatte um die
Piusbrüder, dem nicht immer problemfreien Verhältnis zu Juden und
Muslimen? Franziskus I. ist schon 76 Jahren alt. Es ist ihm zu
wünschen, dass er die Kraft und Stärke besitzt, die frohe Botschaft
des Glaubens in der Welt der Postmoderne zu verkünden und das
Schifflein der Kirche durch den Strudel der Zeit zu lenken - und
nicht schon in wenigen Jahren ein neues Konklave zusammentreten muss.
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