(ots) - Der Ex-Kollege hatte Löscher 2007 als
Siemens-Vorstandschef empfohlen
Hamburg, 19. März 2013 - Siemens hat einem früheren
Arbeitskollegen Peter Löschers, der diesen einst als Vorstandschef
empfohlen hat, vor einigen Jahren einen Beratervertrag über insgesamt
eine Million Euro gegeben. Wie das Wirtschaftsmagazin 'Capital'
(Ausgabe 4/2013, EVT 21. März) berichtet, hat der
Medizintechnik-Sektor von Siemens im September 2008 mit dem
Medizinprofessor der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Uwe Bicker,
einen Beratervertrag abgeschlossen. Dieser lief von 1. Oktober 2008
bis 30. September 2012 und sah ein jährliches Honorar von 250.000
Euro zuzüglich Mehrwertsteuer vor. Als der Vertrag im November 2010
vorzeitig beendet wurde, erhielt Bicker eine Abfindungszahlung von
625.000 Euro plus Mehrwertsteuer.
Der 67-jährige Bicker hatte Löscher (55) im Frühjahr 2007 zu
Siemens empfohlen. Damals hatte Gerhard Cromme auf dem Höhepunkt der
Korruptionsaffäre den Aufsichtsratsvorsitz bei dem Münchner
Industriekonzern übernommen und suchte einen Nachfolger für den
damaligen Chef Klaus Kleinfeld. Hier brachte Bicker den damals in
Deutschland völlig unbekannten Österreicher ins Spiel, der im
Vorstand des US-Pharmariesen Merck & Co. saß. Am 1. Juli 2007 wurde
Löscher Siemens-Chef.
Bicker und Löscher kennen sich aus gemeinsamen Jahren beim
Frankfurter Pharmakonzern Hoechst, der inzwischen in Sanofi
aufgegangen ist. Löscher war von 1988 bis 2002 bei Hoechst und der
Nachfolgegesellschaft Aventis und dort unter anderem als
Strategie-Chef tätig. Bicker wurde 1994 bei Hoechst Geschäftsführer
der Diagnostik-Sparte und trieb 1997 deren Fusion mit dem US-Rivalen
Dade zu Dade Behring voran, die er in den ersten Jahren auch leitete.
Dade Behring geriet Mitte der 2000er Jahre ins Visier des
Siemens-Konzerns, als dieser über Zukäufe eine eigene
Labordiagnostik-Sparte aufbaute. 2007 verhandelte Siemens zunächst
unter Leitung von Kleinfeld über eine Dade-Übernahme, doch lehnte der
Siemens-Vorstand den Erwerb als zu teuer ab. Kleinfelds Nachfolger
Löscher wurde sich bereits wenige Tage nach seinem Amtsantritt mit
Dade-Chef Jim Reid-Anderson handelseinig, indem Siemens sein
bisheriges Höchstgebot um zehn Prozent aufstockte. Der Kauf für
insgesamt fünf Milliarden Euro erwies sich im Nachhinein als weit
überteuert. 2010 schrieb Siemens über eine Milliarde Euro auf Dade
Behring ab.
Ein Siemens-Sprecher bestätigte 'Capital' zufolge die Existenz des
Beratervertrags. Diesen habe der Medizintechniksektor mit Bicker als
"einem anerkannten Experten in der Gesundheitsindustrie" geschlossen.
Bicker habe "die Interessen von Siemens bei verschiedenen
wissenschaftlichen, wohltätigen und medizinischen Einrichtungen
vertreten", zudem das Management der Diagnostik-Sparte und des
gesamten Sektors beraten und zwei kleinere deutsche
Diagnostik-Töchter als Aufsichtsratsvorsitzender beaufsichtigt.
Diese beiden Diagnostik-Firmen mit Sitz in Eschborn und Marburg
sind allerdings komplett weisungsgebunden. Als die zwei Töchter mit
knapp 1.400 Mitarbeitern noch von Dade Behring geführt wurden und
noch nicht im Siemens-Imperium aufgegangen waren, erhielt Bicker für
den Chefkontrolleursjob etwa 30.000 Euro im Jahr.
Wie 'Capital' weiter berichtet, sollte Bicker laut Vertrag fünf
Tage im Monat für Siemens arbeiten und bekam sein Honorar monatlich
ausgezahlt. Eine der beiden Unterschriften unter Bickers Vertrag
setzte Andreas Pohlmann, zu dieser Zeit Chief Compliance Officer in
der Münchner Konzernzentrale. Auch Pohlmann hatte in den neunziger
Jahren für Hoechst ge¬arbeitet. Laut Vertrag sollte Bicker an Jim
Reid-Anderson, der 2008 für sieben Monate
Siemens-Medizintechnik-Vorstand war, und den Chef der
Labordiagnostik-Sparte Donal Quinn berichten. Beide waren mit Dade
Behring zu Siemens gestoßen.
Im Jahr 2010 räumte Reid-Andersons Nachfolger Hermann Requardt in
der Diagnostik auf. In dieser turbulenten Zeit sei, so ein Insider,
Bickers Beratervertrag den Wirtschaftsprüfern von Ernst & Young
aufgestoßen. Die Verhandlungen über dessen Beendigung führte Rechts-
und Compliance-Chef Peter Solmssen persönlich, der engste Vertraute
Löschers im Siemens-Vorstand. Am 24. November 2010 schrieb Solmssen
an Bicker: "Wie in Ihrer Email vorgeschlagen, wird Siemens Ihnen eine
Abfindungssumme von 625.000 Euro plus Mehrwertsteuer zahlen." Weitere
Leistungen Bickers waren damit laut Solmssens Brief nicht ver¬bunden,
Bicker werde seine Kontrolleurstätigkeiten künftig aber ohne Honorar
ausüben. Mit Schreiben vom 26. November 2010 bedankte sich der
Professor, er freue sich über die "unbürokratische" Lösung. Uwe
Bicker ließ eine Anfrage von Capital dazu unbeantwortet.
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