(ots) - Europa hatte eine Woche lang genug Grund, sich über
Zypern zu ärgern. Da will eine Regierung zunächst vermögende
Bankkunden schützen und besteht deshalb auf eine Abgabe für
Kleinsparer, die in ganz Europa Zweifel an der Sicherheit von
Bankkonten schürt. Dann schlägt dieselbe Regierung vor, die
Rentenkasse zu plündern. Und schließlich wird in den entscheidenden
Sitzungen bis zur letzten Minute gefeilscht. Doch das Warten scheint
sich gelohnt haben. Denn was die Finanzminister in der Nacht zum
Montag in Brüssel beschlossen haben, könnte wegweisenden Charakter
für künftige Stützungsfälle haben - auch wenn die Lösung ganz neue
Risiken birgt. Dass die Staatsschuldenkrise in Wahrheit eine
Bankenkrise sei, ist ein oft bemühter Satz, der nicht immer zutraf.
Im Falle Zyperns jedoch gilt er ganz eindeutig. Dem Inselstaat drohte
in erster Linie die Pleite, weil er allein nicht genug Geld
aufbringen konnte, um die Not leidenden Großbanken des Landes
aufzufangen. Bei den zyprischen Banken ergibt sich die besondere
Konstellation, dass die Gläubiger zumeist die Sparer sind. Denn
anders als viele andere Institute haben sie kaum Anleihen aufgelegt,
wie sie üblicherweise von Banken, Versicherern und anderen Investoren
gekauft werden. Die Investoren werden nun zwar konsequenterweise
ebenfalls zur Kasse gebeten. Aber wer die Geldgeber der zyprischen
Banken treffen will, landet auch bei den Privat- und Firmenkunden.
Sie zu belasten ist folgerichtig, schließlich haben sie auch
jahrelang von hohen Zinsen profitiert. Mehr Rendite gibt es in der
Finanzwelt grundsätzlich nur gegen zusätzliches Risiko - und wenn die
Sache schiefgeht, werden aus der erhofften Rendite eben Verluste.
Gerade wegen der Besonderheiten der Insel ist der Zypern-Kompromiss
jedoch noch nicht der große Befreiungsschlag gegen die Banken, in
deren Geiselhaft der Steuerzahler geraten ist. Eine Beteiligung der
Gläubiger bereitet den Finanzministern der Euro-Gruppe wenig
Bauchschmerzen, solange es in erster Linie reiche Russen und andere
Steuerflüchtlinge trifft. Jenseits von Zypern wird das kaum zu
größeren Eruptionen führen. Die Lösung für Nikosia ist deshalb auch
keine Blaupause für andere Banken-Schieflagen. Was man dort gewagt
hat, würde man sich in Italien und Spanien kaum trauen. Während die
internationalen Auswirkungen der zyprischen Bankenrestrukturierung
beschränkt bleiben dürften, gilt das für die Insel selbst wohl nicht.
Neben reichen Ausländern dürften auch viele zyprische Unternehmen
einen erheblichen Teil ihrer Einlagen verlieren - das wird der
Wirtschaft des Landes erheblichen Schaden zufügen. Außerdem ist die
Radikalkur für die beiden Großbanken auch für die übrigen Institute
Zyperns ein Schock. Es steht zu befürchten, dass dort ebenfalls viele
Kunden vorsichtshalber die Konten plündern werden. Der
Zypern-Kompromiss bedeutet deshalb ein großes Experiment. Von seinem
Ausgang wird abhängen, wie Europa künftige Schieflagen von Banken
angeht. Und ob sich der Steuerzahler tatsächlich aus der Zwangslage
befreien kann, immer wieder für Not leidende Geldhäuser geradestehen
zu müssen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd(at)axelspringer.de