Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler berichtet über aktuelle Rechtsprechung zur Beweislastverteilung in Prozessen um Arbeitszeugnisse.
(firmenpresse) - Ein Arbeitszeugnis muss nach der Rechtsprechung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wahrheitsgemäß darstellen, aber gleichzeitig auch wohlwollend sein. Dies hat dazu geführt, dass selbst eher schlechte Bewertungen sich für den juristischen Laien positiv anhören. Gute bis sehr gute Noten lassen sich erst durch entsprechend viele Superlative, Adjektive und Übertreibungen erreichen.
Wenn aber jemand mit einem nach diesem Maßstab eher mittelmäßigen Arbeitszeugnis zu mir kommt und ich den Arbeitgeber auf eine bessere Fassung verklagen muss, stellt sich meist ein Beweisproblem. Denn es geht oft nicht nur darum, dass bestimmte Tätigkeiten oder Kenntnisse nicht erwähnt werden. So etwas lässt sich leicht durch Zeugenaussagen nachweisen, etwa ob jemand an Messen teilgenommen hat oder ob er sich mit einer bestimmten Software auskennt, ggf. sogar an eine Schulung absolviert hat. Leider geht es auch oft um die Frage, wie gut die Leistung und die Führung zu bewerten ist, und dies lässt sich im Nachhinein kaum noch beurteilen. Kein Zeuge wird mit Sicherheit sagen können, ob etwa die über Jahre gezeigte Eigeninitiave mit "gut" oder "befriedigend" zu bewerten ist. Gibt der Arbeitgeber nicht nach und erstellt das Zeugnis in der gewünschten Form, konnte ich bisher meist lediglich eine durchschnittliche Leistung für meinen Mandanten bzw. meine Mandantin durchsetzen.
Grund dafür war die Beweislastverteilung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, so etwa in der Entscheidung vom 14.10.2003 - 9 AZR 12/03. Gemäß des allgemein im Zivilrecht geltenden Grundsatz, dass jede Partei für die Tatsachen beweispflichtig ist, die ihr günstig sind, wurde dem Arbeitnehmer die Beweislast für eine überdurchschnittliche Leistung und dem Arbeitgeber die Beweislast für eine unterdurchschnittliche Leistung auferlegt. Der Arbeitnehmer musste also vortragen und beweisen, dass seine Leistungen überdurchschnittlich waren, und dies ist im Nachhinein wie geschildert kaum justiziabel. Es verblieb dann meist bei einer durchschnittlichen Beurteilung der strittigen Punkte.
Für Arbeitnehmer positiv ist jedoch das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.10.2012, 28 Ca 18230/11. Dieses berief sich nämlich auf einige aktuelle empirische Studien, wonach die meisten Arbeitszeugnisse die Noten "gut" und "sehr gut" enthalten, die Noten "befriedigend" oder "ausreichend" jedoch kaum noch vergeben werden. Diese Studien waren zuvor bereits in einem nicht veröffentlichen Urteil des LAG Berlin-Brandenburg genannt worden. Da eine durchschnittliche Leistungsbeurteilung also zu einer Bewertung mit der Note "gut" führt, sah das Gericht den Arbeitgeber mit dem Beweis dafür belastet, dass die Leistung des Arbeitnehmers die Note "gut" nicht erreichte. Da der Arbeitgeber diesen Beweis nicht erbrachte, wurde er dazu verurteilt, das Zeugnis mit der Note "gut" zu erteilen. Ob gegen dieses Urteil Berufung eingelegt wurde und ggf. mit einer Aufhebung in der zweiten Instanz zu rechnen ist, konnte ich nicht ermitteln.
Bei dem nächsten Zeugnisprozess werde ich dieses Urteil nebst den zugrunde liegenden empirischen Studien einmal zitieren ? und sehen was passiert. Wie immer in der Juristerei ? es bleibt spannend.
Sind Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis unzufrieden? Wissen Sie als Arbeitgeber nicht, was Sie in ein Arbeitszeugnis schreiben sollen, um danach keine Streitereien mit dem Arbeitnehmer zu haben? Ich kann Ihnen weiterhelfen. Auch wenn Sie nicht in meine Kanzlei in Wuppertal kommen können oder wollen, berate ich Sie gerne schriftlich oder auch telefonisch.
Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nachdem ich einige Jahre als angestellte Anwältin gearbeitet habe, gründete ich 2009 meine eigene Kanzlei. Ich befasse mich mit dem Zivil- und Wirtschaftsrecht insbesondere dem Arbeits-, Miet- und Insolvenzrecht und vertrete hierbei sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen.
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