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Zwei Jahrzehnte nach dem Tod von Willy Brandt gibt Günter Grass in
einem PHOENIX-Interview exklusiv persönliche Einblicke in seine
Beziehung zu dem SPD-Politiker. "Brandt war ein Mann, der einen sehr
auf Distanz hielt. Es war eine schrittweise beginnende Freundschaft.
Erst nach Jahren hat er mir das 'Du' angeboten", sagte Grass im
ZeitZeugen-Gespräch mit PHOENIX-Programmgeschäftsführer Michael Hirz
(Ausstrahlung: Sonntag, 5. Mai 2013, 13.00 Uhr). Im Mai erscheint der
bislang unveröffentlichte Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller
und der verstorbenen SPD-Größe.
Grass unterstützte die Sozialdemokraten in den 60er- und
70er-Jahren im Wahlkampf. Sein Verhältnis zu Brandt sei stets von
"wechselseitigem Respekt" geprägt gewesen, auch wenn er dessen
Meinung nicht immer geteilt habe, betonte das ehemalige SPD-Mitglied.
Der 85-Jährige ging zugleich auf die biografischen Unterschiede
zwischen sich und dem Politiker ein. Er selbst sei während der Zeit
des Nationalsozialismus aufgewachsen und ganz dessen "Einflüssen"
ausgesetzt gewesen, habe sich "wie ein Idiot" im Alter von 15 Jahren
zur U-Boot-Truppe gemeldet und sei zur Waffen-SS eingezogen worden.
Brandt hingegen sei in dem Alter schon in der Opposition aktiv
gewesen und in frühen Jahren emigriert. "Er war in der Beziehung für
mich vorbildlich", unterstrich Grass.
Im Gespräch mit Hirz verteidigte er sein Gedicht "Was gesagt
werden muss". "Das gehört zu den Dingen, die ausgesprochen werden
müssen." Sowohl auf iranischer als auch auf israelischer Seite habe
es Hetze und Bedrohungen gegen das jeweils andere Land gegeben. "Nur
mit dem Unterschied, dass man den Iran als zukünftige Atommacht
vermuten kann, während die Tatsache, dass Israel eine Atommacht ist,
keusch verschwiegen wird von aller Welt, tabuisiert ist", sagte der
Literaturnobelpreisträger. Gleichzeitig betonte er, dass er zu Israel
"stehe".
Heftige Kritik übte Grass an der Position der Bundesregierung in
der Eurokrise. "Ich finde es beschämend und es wirft uns in eine
Haltung zurück, die als deutsche Arroganz ausgelegt wird, wenn die
Bundesrepublik als hochverschuldetes Land andere Länder zwingt, einen
rigorosen Sparkurs zu fahren." Deutschland sei ein Land, das durch
Korruption gezeichnet sei, die bis in den Sport reiche. "Es besteht
gar kein Grund zu einer solch anmaßenden Haltung, wie Frau Merkel sie
demonstriert. Das macht uns Feinde. Da werden auf ungute Weise
antideutsche Klischees wiederbelebt."
Der Schriftsteller sprach sich deutlich für einen
Regierungswechsel von Schwarz-Gelb zu Rot-Grün aus. Er selbst könne
im Alter von 85 Jahren nicht mehr für die SPD in den "Wahlkampf
ziehen", gab er zu Bedenken. Allerdings seien die Verhältnisse und
Akteure in den 60er Jahren auch andere gewesen. "Man kann sich
Großpolitiker vom Format eines Brandt gerne wünschen. Das ist eine
andere Generation, die heute politisch tätig ist", sagte er. Er
schätze den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel jedoch sehr für dessen
Leistung, die SPD aus der Niederlage bei der letzten Bundestagswahl
herausgeholt zu haben.
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