(ots) - In der EU wächst das Unbehagen. Doch
verantwortlich dafür sind nicht etwa die bedrohlich hohen
Schuldenberge vieler Mitgliedsstaaten, sondern die von Berlin
propagierte Sparpolitik. Nach Frankreich rückt nun mit Italien ein
weiteres großes Mitgliedsland vom Konsolidierungskurs ab. Wie tief
die Zweifel mittlerweile gehen, offenbart sich in der EU-Kommission.
Mehrere Kommissare und sogar der Behördenchef selbst glauben, der
Sparkurs sei an seine Grenzen gelangt. Das mag stimmen. Und dennoch
führt kein Weg daran vorbei: Die Schuldenberge müssen abgetragen
werden. Wachstums- oder Sparkurs: Es ist ein ideologischer
Grabenkampf, der in Europa ausgetragen wird. Dabei dominiert eine
allzu einfache Sichtweise. So ist man sich in vielen südlichen
Ländern darüber einig, dass die Kürzungen im Haushalt das Wachstum
abwürgen und die Krise damit erst recht anfachen. Dabei ist die
Forderung, Wachstum durch höhere Staatsausgaben kreieren zu wollen
geradezu naiv. Schließlich lässt das nur die Schuldenberge weiter
anschwellen. Von Spanien über Portugal, Griechenland und Italien bis
hin zu Frankreich - den Ländern mangelt es nicht an Geld. Sie
brauchen mutige Strukturreformen, um ihre Volkswirtschaften wieder
wettbewerbsfähig zu machen. Gleichzeitig gilt es, durch Einsparungen
die Schuldenlast zu erleichtern. Sicherlich, man darf nicht alle
Länder über einen Kamm scheren. Aber dass gleichzeitiges Sparen in
Verbindung mit Strukturreformen funktionieren kann, haben zuletzt die
baltischen Staaten gezeigt. Allein Litauen hat von 2009 bis 2011
zwölf Prozent seiner Wirtschaftsleistung eingespart. Dabei wurden
öffentliche Gehälter um 20 Prozent und Renten um zehn Prozent
gekürzt. Solch radikale Maßnahmen haben weder die griechische noch
die zyprische Regierung ihren Bürgern zugemutet. Die Mühsal hat sich
für Vilnius gelohnt. Nach zwei katastrophalen Jahren, zog das
Wirtschaftswachstum wieder an. Leider lassen sich solche
Erfolgsgeschichten nicht automatisch auf andere Staaten ummünzen.
Zumal Litauen den Vorteil hatte, die eigene Währung abwerten zu
können. Für die Pleite-Eurostaaten gibt es diese Möglichkeit nicht.
Und dennoch muss man die Frage, nach dem politischen Willen in den
südlichen Krisenländern stellen dürfen. Ob eine Lockerung des
Kündigungsschutzes oder die Aufhebung von Berufsbeschränkungen:
Gerade in Griechenland sind, so wie in Italien und auch in
Frankreich, politische Reformen immer wieder verschleppt worden. Die
Leidtragenden sind Europas Jugendliche. In Griechenland und Spanien
ist jeder zweite junge Mensch ohne Arbeit. Keine Frage, hier braucht
es dringend zusätzliche Konjunkturimpulse, um den Staaten zu helfen.
Alleine kommen sie in diesem Bereich derzeit nicht auf die Beine.
Deshalb ist es richtig, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso
gestern angemahnt hat, den längst verabschiedeten Wachstumspakt
endlich engagiert umzusetzen. Hierüber könnte den Krisenstaaten mit
gezielten Investitionen, etwa in den Aufbau eines dualen
Ausbildungssystems, geholfen werden. Es gibt in dieser Schuldenkrise
keinen Königsweg. Doch aufgrund der Erfahrungen der letzten vier
Jahre hat sich herauskristallisiert: Ein Maßnahmen-Mix aus
Haushaltseinsparungen und Strukturreformen ergänzt um zielgerichtete
Investitionen ist nötig, um die Misere zu bekämpfen. Die
Bundeskanzlerin tut also gut daran, an ihrer eisernen Haltung erst
einmal festzuhalten. Denn der zunehmende Druck der Krisenstaaten wird
sowieso sein Übriges tun und Deutschland Zugeständnisse abringen.
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