(ots) - Die Passagiere sitzen auf dem Sonnendeck und
freuen sich auf den Urlaub. Was sie nicht ahnen: Mit ihnen, im Bauch
des Schiffes, fährt radioaktives Material mit. Auf Ostseefähren wird
regelmäßig "Gefahrgut der Klasse 7" transportiert, so etwa von
Rostock ins schwedische Trelleborg und zurück. Das haben Recherchen
des NDR Politikmagazins "Panorama 3" (Dienstag, 18. Juni, 21.15 Uhr,
NDR Fernsehen) ergeben.
Dem Magazin liegen unter anderem Bilder aus dem Verladeraum einer
Passagierfähre mit dem Ziel Südschweden vor. Sie zeigen
Eisenbahnwaggons, die das Warnzeichen für Radioaktivität tragen. Es
handelt sich um Container mit dem radioaktiven Stoff Kobalt-60. Der
Gammastrahler wird in Kernkraftwerken und in der Medizintechnik
verwendet.
Dass die heikle Fracht auf Fähren verschifft wird, ist legal - und
trotzdem Geheimsache. Denn die Passagiere werden von der Reederei
Stena Line nicht über die Fracht an Bord informiert. "Da wir alle
Vorgaben und Regularien befolgen, die mit einem Transport dieser
Güter einhergehen, und das Material in gesicherten und versiegelten
Containern transportiert wird, informieren wir unsere Passagiere
darüber nicht", teilt das Unternehmen auf Anfrage von "Panorama 3"
mit. Doch nicht nur die Touristen erfahren nichts von den
radioaktiven Transporten auf den Ostsee-Fähren: Auch der
Katastrophenschutz wird nicht informiert, wann welche gefährlichen
Stoffe auf Fährschiffen unterwegs sind. Krankenhäuser und Feuerwehren
sind im Falle einer Havarie dementsprechend unvorbereitet. Eine
Evakuierung auf hoher See ist deutlich schwieriger als an Land - bis
Rettungskräfte die Fähre erreichen, können Stunden vergehen. Zwar
sind die Container mit dem radioaktiven Material so geschützt, dass
bei normalen Unfällen nichts passiert. Schwerere Brände, die über
eine halbe Stunde andauern, halten aber auch diese Behälter nicht
aus. Passagiere könnten dann einer hohen Strahlung ausgesetzt sein.
Die Recherchen von "Panorama 3" haben darüber hinaus ergeben, dass
ausreichend ausgerüstete Feuerwehrschiffe nicht überall auf der
Ostsee vorhanden sind. So musste die Feuerwehr in Kiel ihr Schiff
2011 aus Kostengründen aufgeben, das Schiff in Rostock braucht unter
Umständen mehrere Stunden, bis es den Einsatzort erreicht hat.
Wie schnell es brennen kann, zeigt der jüngste Unfall Anfang Mai
2013 im Hamburger Hafen. Während einer Veranstaltung des
Evangelischen Kirchentags mit 35.000 Menschen fing nur rund 500 Meter
entfernt auf dem Wasser der Frachter "Atlantic Cartier" Feuer. Er
hatte den radioaktiven Stoff Uranhexafluorid, kurz UF6, geladen. Eine
Fracht, die nach Informationen von "Panorama 3" auch immer wieder auf
Passagierfähren transportiert wird.
Genehmigt werden die Transporte vom Bundesamt für Strahlenschutz
und von den jeweiligen Landesbehörden. Die Reederei Stena Line
erklärt deshalb: "Wir transportieren Material in der geringsten
Klassifizierungsgruppe, haben alle benötigten Bescheinigungen und
befolgen sämtliche Regeln und Vorschriften."
18. Juni 2013
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Norddeutscher Rundfunk
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Ralph Coleman
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