(ots) - Was schenkt man einem guten Freund, der alles
hat? Man schenkt Zeit, Aufmerksamkeit, schöne Erinnerungen. Das ist,
was Barack Obama gestern tat. Wer sich etwas anderes erwartet hatte,
eine große Botschaft, verkannte, dass sich die Welt weitergedreht hat
in den vergangenen 20 Jahren. Und dass im Fokus nicht mehr Berlin
steht. Die Welt ist im Umbruch und die USA orientieren sich neu - in
jeder Hinsicht. Obama als erster schwarzer Präsident ist das perfekte
Beispiel dafür, dass das Land sich im Inneren wandelt. Viele
Amerikaner haben asiatische oder lateinamerikanische Wurzeln, nicht
europäische, und ihre Zahl wächst rapide. Die Obama-Hasser sind
bezeichnenderweise Konservative mit weißer europäischer Abstammung,
die ihren Einfluss in einer pluralisierten Gesellschaft schwinden
sehen. Außenpolitisch ist der Fokus nach nach dem Ende des Kalten
Krieges nach Asien gewandert. Seit Jahren schon ist der unaufhaltsame
Aufstieg Chinas das Top-Thema der US-Außenpolitik. In wenigen Jahren
wird das Riesenreich den Vereinigten Staaten den Rang als einzig
verbliebene Supermacht streitig machen. Wirtschaftlich ohnehin, aber
auch militärisch ist Peking eine Bedrohung. Das hat den Blick auf
Europa verändert. Der Kontinent wird gebraucht, weil die USA
finanziell gar nicht mehr in der Lage sind, Weltpolizist zu sein. Ein
US-Diplomat drückte es einmal so aus: Lange Zeit war Deutschland das
Subjekt der US-Außenpolitik. Heute ist es Objekt, noch dazu eines von
vielen. Das klingt schlechter, als es gemeint ist. Das deutsche
Engagement in Afghanistan wird von US-Seite immer wieder positiv
hervorgehoben. Berlins stabilisierende Rolle in der Euro-Krise wird
in Washington geschätzt, wenngleich man dort die Methoden nicht mag,
mit denen Merkel die Krankheit der Eurozone zu kurieren sucht. Sparen
ist nicht, was Dr. Obama verschreiben würde. Zudem ist Deutschland
für die USA der beste Beleg dafür, dass die amerikanische Idee einmal
funktioniert hat. Dass Mauern eingerissen werden können und dass es
danach eine Zukunft geben kann, die besser und friedlicher ist wie
alles davor. Denn diese Idee ist in einer globalisierten Welt, in der
die Konflikte kleinteiliger und damit schwieriger zu kontrollieren
sind, fast schon unkenntlich geworden. Obamas Vorstoß, das
Atomwaffenarsenal seines Landes um ein Drittel zu reduzieren, ist ein
Versuch, an eine Vision anzuknüpfen, die er 2009 in Prag entwarf:
Eine Welt ohne Atomwaffen. Der Plan ist auch der Versuch,
Führerschaft zu zeigen, was in einer Welt ohne klare Fronten
schwierig geworden ist. Dass aus Moskau prompt ein Nein kam,
überrascht da kaum. Russland hat mit seiner Haltung in der
Syrienkrise mehr als einmal demonstriert, dass es nicht gewillt ist,
die Vorherrschaft der USA anzuerkennen. Obama hat gestern keine
historische Rede gehalten. Aber was sollte er auch einem Land sagen,
dass als Fels in der Brandung steht und mit dem es keine dringenden
Konflikte zu klären gibt? Sicher: Die Bilder vom Brandenburger Tor
täuschen darüber hinweg, dass viele hierzulande durchaus skeptisch
über den Atlantik blicken. Washington tut auch wenig, um das zu
ändern. Obama hat zwar zugegeben, dass die Datenspionage im Rahmen
des Prism-Programms viele beunruhigt hat. Aber er hat sie als
notwendig für die Sicherheit verteidigt, ebenso wie das
Drohnenprogramm. Man sei unter Freunden und da könne man auch weniger
formell sein, sagte Obama, als er das Jackett ablegte. Man könnte
auch sagen, die transatlantischen Beziehungen sind erwachsen
geworden. Und das ist nichts Schlechtes.
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