PresseKat - Können erkrankte Arbeitnehmer die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verlangen?

Können erkrankte Arbeitnehmer die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verlangen?

ID: 911050

Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler informiert darüber, inwieweit erkrankte Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber eine andere Aufgabe verlangen können, die ihrer Krankheit Rechnung trägt.

(firmenpresse) - Aufgrund des demographischen Wandels und des immer späteren Renteneintritts müssen Arbeitnehmer inzwischen auch in einem vergleichsweise hohen Alter noch arbeiten. Daher kommt es immer öfter vor, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, ihre bisherige Tätigkeit auszuüben, aber eine andere Aufgabe im Betrieb des Arbeitgebers übernehmen könnten. Aber ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, dem erkrankten Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen und dafür dann einen anderen zu versetzen?

Die Antwort hierauf lautet wie so oft: "Es kommt darauf an". Zunächst ist zu prüfen, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer gemäß des Arbeitsvertrags zugewiesen werden können. Ist die Aufgabenbeschreibung weit gefasst und umfasst Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer trotz seiner körperlichen Einschränkungen ausüben kann, ist weiter zu prüfen, ob der Arbeitgeber sein sog. Direktionsrecht nicht bereits dahingehend ausgeübt hat, dass der Arbeitnehmer nur eine bestimmte Aufgabe schuldet. Ist dies der Fall, hat der Arbeitnehmer nach dem Urteil des BAG vom 19.05.2010, 5 AZR 162/09, keinen Anspruch auf Neuausübung des Direktionsrechts. Hiermit wich der 5. Senat von in dieser Hinsicht großzügigeren Urteilen des sechsten und neunten Senates, AZR 6 AZR 330/08 und 9 AZR 632/04, ab. Diese Urteile bezogen sich nach seiner Ansicht auf andere Fälle. In dem einen Fall hatte der Arbeitnehmer einen tariflichen Anspruch auf Umsetzung und Einkommenssicherung, in dem anderen Fall lag eine Schwerbehinderung vor. In dem vom fünften Senat zu Ungunsten des Arbeitnehmers entschiedenen Fall konnte der drogensüchtige Arbeitnehmer, der unstreitig seine bisherige Tätigkeit als Sicherungsposten bei der Bahn nicht mehr aus ausüben konnte, somit nicht verlangen, mit sog. "Vegetations-", also quasi Gartenarbeiten beauftragt zu werden.. Er konnte somit auch nicht im Wege des Annahmeverzugs aufgrund des bloßen Arbeitsangebote seinen Lohn erhalten, ohne seine Arbeit erbracht zu haben. Dem Arbeitgeber konnte nicht vorgeworfen werden, ihm keine Vegetationsarbeiten zugewiesen zu haben.





Das BAG sah aber möglicherweise einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebotes gegeben. Dieses gebietet dem Arbeitgeber bei der Beseitigung von Leistungshindernissen mitzuwirken und sein Direktionsrecht neu auszuüben. Voraussetzung sei aber, dass der Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlange und genau erkläre, wie er trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen diese Aufgabe erfüllen könne. Die Zuweisung des leidensgerechten Arbeitsplatzes müsse dem Arbeitgeber zudem zumutbar und rechtlich möglich sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Kollege, der den leidensgerechten Arbeitsplatz inne hat, gemäß den Vereinbarungen in seinem Arbeitsvertrag nicht versetzt werden kann oder aber einer gegen eine Versetzung vorgehen würde. Rechtlich unmöglich wäre die Neuausübung des Direktionsrechts auch, wenn ein etwaig vorhandener Betriebsrat nicht zustimmt. Der Fall wurde dann zur weiteren Klärung an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen. Der Ausgang des Rechtsstreits ist nicht bekannt. Möglicherweise wurde er sodann durch Vergleich beendet.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat einen solchen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers in Anlehnung an das soeben dargestellte Urteil in seiner Entscheidung vom 06.06.2012, 4 Sa 2152/11 bejaht im Fall einer Erzieherin, die aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr im sonderpädagogischen Bereich eingesetzt werden konnte.

Der Umweg über den Schadenersatzanspruch ist ein gutes Mittel, den Arbeitgeber doch noch zur Zuweisung einer leidensgerechten Arbeit zu bewegen. Denn kein Arbeitgeber hat Interesse daran, Lohn als Schadenersatz zu zahlen, ohne die Arbeitsleistung als Gegenwert für sich nutzen zu können. Sind Sie arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer, sollten Sie sich somit anwaltlich beraten lassen, inwiefern Sie eine Zuweisung einer leidensgerechten Arbeit erreichen können. Aber ebenso sollten Sie als Arbeitgeber genau prüfen, ob dauerhafte erkrankte Arbeitnehmer nicht an anderer Stelle im Betrieb noch nützliche Arbeit verrichten können.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Sprechen Sie mich an!

Weitere Infos zu dieser Pressemeldung:

Themen in dieser Pressemitteilung:


Unternehmensinformation / Kurzprofil:

Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nachdem ich einige Jahre als angestellte Anwältin gearbeitet habe, gründete ich 2009 meine eigene Kanzlei. Ich befasse mich mit dem Zivil- und Wirtschaftsrecht insbesondere dem Arbeits-, Miet- und Insolvenzrecht und vertrete hierbei sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen.
Sie können diese Pressemitteilung ? auch in geänderter oder gekürzter Form ? mit Quelllink auf unsere Homepage auf Ihrer Webseite kostenlos verwenden.



Leseranfragen:

Heinz-Fangman-Str. 2, 42287 Wuppertal



PresseKontakt / Agentur:




drucken  als PDF  an Freund senden  Axa Immoselect: Immobilienverkauf deutlich unter Wert Bewertung von Risikoaufklärung durch Architekten und Statiker
Bereitgestellt von Benutzer: Connektar
Datum: 17.07.2013 - 12:10 Uhr
Sprache: Deutsch
News-ID 911050
Anzahl Zeichen: 4546

Kontakt-Informationen:
Ansprechpartner: Elke Scheibeler
Stadt:

Wuppertal


Telefon: 0202 76988091

Kategorie:

Recht und Verbraucher


Meldungsart:
Anmerkungen:


Diese Pressemitteilung wurde bisher 0 mal aufgerufen.


Die Pressemitteilung mit dem Titel:
"Können erkrankte Arbeitnehmer die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verlangen?"
steht unter der journalistisch-redaktionellen Verantwortung von

Kanzlei Scheibeler (Nachricht senden)

Beachten Sie bitte die weiteren Informationen zum Haftungsauschluß (gemäß TMG - TeleMedianGesetz) und dem Datenschutz (gemäß der DSGVO).

Zum Rauchen am Arbeitsplatz ...

In den letzten Jahrzehnten hat sich im Zuge des Gesundheitschutzes einiges getan. In § 5 der Arbeitsstättenverordnung ist festgelegt, dass der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen treffen muss, um die nicht rauchenden Beschäftigten wirksam z ...

Arbeitszeitaufstockung und Befristung ...

Der Arbeitgeber gleicht so z.B. einen vorübergehende Arbeitsspitze oder auch den krankheitsbedingten Ausfall eines anderen Mitarbeiters aus. Hierbei muss er aber bestimmte Regeln beachten. Anderenfalls kann es sein, dass der Arbeitnehmer verlangen k ...

Urlaubsverlangen erforderlich? ...

Dies vor Allem in Fällen, in denen der Urlaub ausgezahlt werden soll. Während das LAG Berlin-Brandenburg 2014 einen Urlaubsantrag nicht mehr für erforderlich hielt (hierüber hatte ich bereits berichtet, siehe http://kanzlei-scheibeler.de/urlaubsa ...

Alle Meldungen von Kanzlei Scheibeler