(ots) - Lange hat er geschwiegen. Zu lange für den
Geschmack leidenschaftlicher Gemüter, die nach dem Freispruch George
Zimmermans auf eine promptere Reaktion des ersten schwarzen
Präsidenten gehofft hatten. Barack Obama beließ es zunächst bei einer
schriftlichen Stellungnahme. Und dachte nach. Wohlwissend um die
Fallstricke, die beim Thema der Rassenbeziehungen in den USA
ausgelegt sind. Er verwarf die Idee, mit großer Fanfare eine
Grundsatz-Rede anzukündigen, die falsche Erwartungen geweckt hätte.
Stattdessen schlich Obama am Freitagnachmittag unangekündigt in den
Briefing-Raum des Weißen Hauses. Wie nach einem Trauerfall wartete
der Präsident den richtigen Zeitpunkt ab. Der Sohn eines Kenianers
und einer Weißen aus Kansas sprach eine Woche nach dem Urteil und vor
dem Auftakt eines Protest-Sommers der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Statt sich mit klugen Worten am Grundsätzlichen zu versuchen, trat
Obama als schwarzer Mann vor die Presse. Mit starken Worten öffnete
er den nicht-weißen Amerikanern die Augen, was es heißt, als
schwarzer Mann in den USA groß zu werden. Dafür schlüpfte er in die
Schuhe Trayvon Martins. Seht her, das hätte ich vor 35 Jahren sein
können. Der Präsident verzichtet bewusst darauf, Öl ins Feuer
ethnischer Leidenschaften zu gießen oder sich in die Unabhängigkeit
der Justiz einzumischen. Er macht etwas viel Effektiveres. Obama
sensibilisiert und therapiert die Nation mit Empathie. Mit einem
Schlag verwandelt er die Enttäuschung einiger Schwarzer über sein
langes Schweigen in ein Band emotionaler Verbundenheit. Gleichzeitig
half er dem Rest des Landes zu verstehen, warum der Freispruch Schock
und Schmerzen verursacht hat. Obama hat das kollektive Gedächtnis der
Afro-Amerikaner für viele nicht-schwarze Zuhörer erstmals zugänglich
gemacht.
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