Die Frankfurter Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu (Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main) gab bereits am 9. Juli 2013 per Pressemitteilung bekannt, bundesweit sowie in Liechtenstein insgesamt 28 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht worden seien. Hintergrund sei ein Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, der Untreue, des Betruges, der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Cargo City Süd am Flughafen Frankfurt am Main. ilex Rechtsanwälte, die im Wirtschaftsstrafrecht aktiv sind, nehmen dies zum Anlass darauf hinzuweisen, dass die Betroffenen eine extensive Durchsuchungspraxis nicht immer dulden müssen und nachträglich dagegen vorgehen können.
(firmenpresse) - 1. Die Durchsuchungen vom 9. Juli 2013
Bereits am 9. Juli 2013 teilte die Frankfurter Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Umwelt- und Wirtschaftsstrafsachen mit, dass sie im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, der Untreue, des Betruges, der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Cargo City Süd am Flughafen Frankfurt/M, erhebliche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt hat. Das Verfahren, so heißt es in der Pressemitteilung, richte sich derzeit gegen 10 Beschuldigte. Einer der Beschuldigten, der bis Juni 2008 als leitender Angestellter der FRAPORT AG mit der Entwicklung der Cargo City Süd beschäftigt gewesen sein soll, soll Vorstandsvorlagen für die Vergabe von Erbbaurechten entworfen haben und hätte anschließend für die FRAPORT die entsprechenden Verträge mit verschiedenen Unternehmen abgeschlossen. Gegenstand dieser Verträge soll die Verpflichtung der Erbbauberechtigten gegenüber der FRAPORT gewesen sein, das betreffende Erbbaugrundstück am Frankfurter Flughafen mit Gebäuden für Speditions- und Logistikbetriebe zu bebauen und diese Betriebe dauerhaft zu betreiben oder betreiben zu lassen. Nach den Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt bestünde der Verdacht, dass dieser Beschuldigte als Gegenleistung für die bevorzugte Bestellung von Erbbaurechten von zwei Firmen Schmiergeldzahlungen erhalten oder gefordert hätte. Die Verdachtsmomente gehen auch noch weiter. Zwei Personen wurden auch festgenommen.
2. Die aktuelle Rechtsprechung zur Durchsuchung
Durchsuchungen gehören zum Alltag der Ermittlungsbehörden und können somit viele Personen betreffen. Grundsätzlich ist eine Durchsuchung ein Grundrechtseingriff, der nur unter besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt ist. Durchsuchungen, die der Aufklärung einer Straftat dienen sollen, werden u.a. auf § 102 der Strafprozessordnung gestützt. Eine relativ aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts belegt das.
Die 2. Kammer des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts hatte einen Fall aus Bayern zu entscheiden. Der Beschuldigte eines Strafverfahrens besitzt eine Wohnung in einem Wochenendhaus. Kurz nach dem Tod seines Nachbarn wurden unter dessen Namen verschiedene Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements abgeschlossen. Doch die Zeitungen kamen nur selten im Haushalt des Beschuldigten an. Außerdem wurden unter dem Namen des Verstorbenen Abbuchung von einem Stiftungskonto gemacht, dessen Kontodaten allgemein zugänglich waren. Hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Beschuldigten. Der nach § 102 StPO erforderliche Verdacht, dass der Beschuldigte hinter den Bestellungen stünde, folgerte die Staatsanwaltschaft daraus, dass nur der Beschuldigte als unmittelbarer Nachbar über das erforderliche Detailwissen hätte verfügen können. Als direkter Nachbar hätte auch nur er die Zeitungen aus dem Briefkasten entwenden können. Die Polizei begründete den Verdacht später wohl auch damit, dass sich der Intellekt des Beschuldigten in den bestellten Zeitungen widergespiegelt hätte. Sowohl das Amtsgericht München als auch das Landgericht München sahen dies als ausreichend an.
Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 376/11) hob diese Entscheidungen auf. Die Gerichte hätten schlichtweg verkannt, dass der für den Grundrechtseingriff notwendige Tatverdacht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben war. Die Detailkenntnisse konnte sich jeder über das Telefonbuch und die Todesanzeige verschaffen. Allein die Nähe reiche hierfür noch nicht aus. Die Begründung mit dem Intellekt sei eine bloße Vermutung, die ihrerseits nicht ausreicht.
3. Das Fazit
Ob die Durchsuchungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft rechtmäßig waren oder nicht, kann und soll hier nicht beurteilt werden. Doch an der, von diesen Durchsuchungen unabhängigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird eines deutlich: Der Umstand, dass ein Berufsrichter den Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses prüft, heißt noch lange nicht, dass dieser Durchsuchungsbeschluss unbedingt rechtmäßig ist. Während es vor Ort darauf ankommt, die Grenzen des Durchsuchungsbeschlusses zu verteidigen, ist im Nachhinein stets zu prüfen, ob die Durchsuchung rechtmäßig war oder nicht. Dies kann für den weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens von grundsätzlicher Bedeutung sein. Deshalb empfiehlt es sich in der Durchsuchungssituation einen Verteidiger hinzuzuziehen, der entsprechende Schritte mit der gebotenen sachlichen Distanz einleiten kann.
Dr. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt