In der VSP-Monatskonferenz Juli der "Finanzmärkte aktuell" bespricht VSP-Chefökonom Hannes Zipfel wichtige aktuelle Entwicklungen für die Eurozone und die Stabilität der Gemeinschaftswährung und gibt ein Update zur aktuellen Lage von Konjunktur und Märkten. Sein kritisch-kommentierender Blick auf die kriselnde Eurozone gilt dieses Mal im Schwerpunkt Griechenland, für das kürzlich die Euro-Finanzminister Kreditgelder in Höhe von weiteren 6,8 Milliarden Euro bis Oktober zugesagt haben und der Internationale Währungsfonds (IWF) einen neuerlichen Schuldenschnitt für Oktober fordert.
Zipfels Fazit aus der Analyse verschiedener Zeitreihen für Griechenland fällt düster aus. Er sieht das Land im Wesentlichen nur auf einem Weg nach vorne gehen, dem Weg in eine nationale Katastrophe. Griechenlands Deindustrialisierung schreitet voran und die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft macht kaum Fortschritte. 'Der griechische Patient' wird noch lange am Tropf des Euro hängen und nicht auf die Beine kommen, sofern er nicht zur Drachme zurückkehrt und so die überfällige Währungsabwertung vornimmt, prognostiziert Zipfel.
(firmenpresse) - Ende Juni äußerte sich in Berlin Kostis Chatzidakis, seit einem Jahr Minister für Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Transport im Kabinett von Samaras, zur derzeitigen Situation seines Landes. Griechenland sei auf einem guten Weg aus der Krise, die politische und soziale Stabilität gesichert, das Szenario eines Euro-Austritts habe sich zudem dank guter Wirtschaftszahlen erledigt und dergleichen mehr an positiven Nachrichten verlautbarte der Minister. Kurz: es seien wesentliche Fortschritte erzielt worden, die, so Chatzdidakis wörtlich, jeder Analyst bestätigen könne.
Ähnlich positiv auch der Grundtenor der Gläubiger-Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Euro-Finanzminister, die Griechenland vorhielten, die vereinbarten Spar- und Reformauflagen nicht vollständig umgesetzt zu haben und mangelnden Reformeifer zu zeigen. Dennoch bewilligte man dem Land der Hellenen im Rahmen des Euro-Hilfspaketes weitere Kreditauszahlungen in Milliardenhöhe, wenn auch in Tranchen.
Die Fakten halten dem eingeforderten kritischen Blick des Analysten nicht stand, wie Zipfel anhand mehrerer Zeitreihen ökonomischer Parameter der griechischen Volkswirtschaft demonstriert.
Die Schere im Bereich der Industrieproduktion öffnet sich in der Eurozone zwischen Deutschland und den Südländern (Frankreich noch ausgenommen) immer weiter; Griechenland bildet mit einem Stand von 70% (2001=100%) das weitabgehängte traurige Schlusslicht aller Euro-Südländer.
Das reale unbereinigte Bruttoinlandsprodukt Griechenlands schrumpfte 19 Quartale in Folge (zuletzt im Q1/2013 mit − 5,6%) und erreicht nunmehr die Wirtschaftsleistung des 1. Quartals 2000. Griechenland hat also ökonomisch vom Euro-Beitritt nicht profitieren können. Der auf Depressionsniveau befindliche Arbeitsmarkt sieht neue Höchststände bei der Arbeitslosenquote – bei Erwachsenen 26,8% bzw. Jugendlichen 59,2%; jeweils nach ILO-Statistik.
Auch der private Konsum bricht inzwischen im zwölften Quartal in Folge ein, zuletzt im Q1/2013 gegenüber dem Vorjahresquartal um − 8,7%. Nicht viel anders die Situation bei den Unternehmerausgaben aus: die Bruttoanlageinvestitionen entwickeln sich seit mehr als fünf Jahren negativ, in Summe um erschreckende − 64,5% (in Q 1/2013 zuletzt − 11,4% ggü. Q4/2012). Dies ist ein deutliches Indiz für die immer rascher voranschreitende Deindustrialisierung des Landes und eben nicht für eine erfolgreiche Reformagenda.
Der Außenhandel, Indiz für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, sinkt kontinuierlich weiter, der Import kollabiert förmlich; das Exportvolumen hingegen lässt sich nach zwei Jahren härtester Rosskuren bestenfalls als Stagnation mit leichten Tendenzen zum Rückgang bezeichnen.
38 Prozent Rückgang bei den Reallöhnen nach inzwischen zwölf Quartalen, in denen sie in Folge gesunken sind – zuletzt in Q 1/2013 um 11,2 Prozent – , haben die Wettbewerbssituation Griechenlands nicht entscheidend verbessert. Die Probleme des Landes sind vielfach hausgemacht: die Staatsquote ist noch immer mit über 50 Prozent viel zu hoch, die Privatisierung der Staatsbetriebe allen Absichtserklärungen zum Trotz noch immer marginal und der notwendige Abbau der Staatsbediensteten noch immer unzureichend. Steuern und Zölle implodieren weiter, während die Sozialkosten krisenbedingt weiter explodieren. Dennoch spart sich Griechenlands bereits jetzt zu Tode …
Der Blick auf die Entwicklung der Staatsschulden der Hellenen ist nicht minder ernüchternd. Betrug sie vor dem Schuldenschnitt im März 2012 174 Prozent des BIP, prognostiziert der IWF bereits für dieses Jahr 164 Prozent. Ohne einen erneuten Schuldenschnitt wird Hellas spätestens Mitte 2014 wieder die einstige Rekordverschuldensmarke erreichen …
Der vom IWF für Oktober geforderte, unvermeidliche Schuldenschnitt – nicht zufällig erst für den Zeitraum nach den in Deutschland und Österreich abgehaltenen Wahlen gefordert – schafft ohne grundsätzliche Veränderung struktureller Parameter keine Lösung der Krise, sondern nur vorübergehendes Durchatmen. Spannend bleibt, ob sich die EZB am neuerlichen Schuldenschnitt Griechenlands beteiligen wird, gegen den sie sich noch bei Zypern gesträubt hat. Als nunmehrige Hauptbesitzerin griechischer Staatsanleihen dürfte dieses Mal für sie kein Weg daran vorbeiführen. Dies wäre dann der endgültige Tabubruch in Sachen direkter Staatsfinanzierung.
Die griechische Volkswirtschaft ist mangels eines geeigneten Geschäftsmodells, als Folge einer massiven Überschuldung des Staatshaushaltes und des für Griechenland überteuren Euros nicht weltmarktfähig und wird es in absehbarer Zeit auch nicht werden. Griechenland bleibt uns damit als den Euro destabilisierender Faktor erhalten – und damit zugleich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des 'Euro-Währungskorsetts', in dem sich 'der griechische Patient' befindet, so das desillusionierende Fazit Zipfels am Ende seiner Analyse.
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