(ots) - von Reinhard Zweigler, MZ
Alle Indizien, Fotos, Videos, Augenzeugenberichte, sprechen dafür,
dass Syriens Diktator Baschar al-Assad in der Nähe von Damaskus
Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzen ließ. Unter
entsetzlichen Qualen ermordete Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder
lassen kaum noch Zweifel daran aufkommen, dass der Schlächter von
Damaskus auch vor Massenmord mittels geächteter Chemiewaffen nicht
zurückschreckt. Die internationale Konvention gegen den Einsatz
dieser Waffen bricht Assad dabei mit der gleichen Kaltschnäuzigkeit,
mit der er den UN-Inspekteuren Knüppel zwischen die Beine wirft. Der
gestrige Angriff auf die Uno-Mitarbeiter, die die Giftgasattacken
aufklären wollten, zeigt, dass Assad nicht gewillt ist, sich den
Forderungen der Weltorganisation zu beugen. Schlimmer noch, es könnte
sogar teuflisches Kalkül hinter den jetzigen Gaseinsätzen stehen:
Assads Militärs versuchen offenbar, mit immer weitergehenden
Gasangriffen auf Wohngebiete eine Art "Gewöhnung" an diese
Massenvernichtungsmittel zu erreichen. Seit Monaten sind immer wieder
ähnliche Attacken zu verzeichnen. Dass sie nun offenkundig auch noch
in Anwesenheit von internationalen Inspekteuren unternommen wurden,
ist besonders dreist. Und grausam ohnehin. Bislang hat der
Bürgerkrieg in Syrien wahrscheinlich bereits 100 000 Menschenleben
gefordert, Millionen Syrer sind auf der Flucht. Die jetzigen
grauenvollen Gasattacken bringen auch den Westen, vor allem die
Vereinigten Staaten, in eine teuflische Zwickmühle. Seit einem Jahr
bereits erklärt die US-Administration den Einsatz von Giftgas zu
jener "roten Linie", deren Ãœberschreiten auf jeden Fall Konsequenzen
nach sich ziehen müsse. Nun ist diese neuralgische Grenze offenbar
überschritten - und zwar von Assad, denn die Aufständischen verfügen
nicht über die Waffentechnik und das Gas zu derlei Terror -, aber
Washington zaudert. US-Präsident Barack Obama ist schon lange nicht
mehr mit jenen starken Worten zu hören, wie noch vor Jahresfrist. Die
abwartende Haltung des Weißen Hauses könnte einerseits Assad
ermutigen, die Spirale des Terrors weiter anzuziehen. Auf der anderen
Seite machte sich die einzig verbliebene globale Supermacht
unglaubwürdig, wenn sie weiterhin gar nichts tun sollte. In Nordkorea
und im Iran verfolgt man Washingtons Agieren oder eben Zögern mit
höchster Aufmerksamkeit. Ließen die USA den Giftkrieger Assad
"ungeschoren" davon kommen, bräuchten sie nicht mehr über die
Atomwaffenpläne von Phnom Pen und Teheran zu verhandeln. Das ohnehin
geschrumpfte US-Abschreckungs- und Drohpotenzial ginge gegen null.
Davon abgesehen würden Peking und vor allem Moskau Militärschlägen
gegen Assad - oder gar einer Intervention mit Bodentruppen - niemals
ihre Zustimmung geben. Es blieben immer noch "begrenzte"
Raketenangriffe gegen militärische Zentren des Assad-Regimes.
Freilich ist jedes Szenario eines Eingreifens der USA, des Westens,
der Vereinten Nationen in Syrien selbst mit enormen Risiken
verbunden. Die Errichtung einer Flugverbotszone, die schon lange
diskutiert wird, ist militärisch-technisch viel schwieriger, als etwa
im Fall Libyens vor zwei Jahren. Die syrische Luftabwehr ist erst vor
kurzem durch neueste russische Raketen und Kampfjets aufgerüstet
worden. Und eine Unterstützung durch andere Nato-Staaten - darunter
auch Deutschland - ist zurzeit undenkbar. Und sollte Israel allein
gegen Damaskus zuschlagen, könnte dies der Auftakt zu noch mehr
Gewalt, vielleicht sogar einem Nahost-Krieg sein. Weit und breit ist
kein Ausweg aus dieser Zwickmühle in Sicht.
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