(ots) - Der Supertanker USA schlingert seit der
Wiederwahl Barack Obamas von einem Unwetter ins nächste. Erst das
Massaker in der Grundschule von Newton, dann die Blamage durch
NSA-"Whistleblower" Snowden, dicht gefolgt von dem Giftgasangriff in
Syrien. Und jetzt der "Government Shutdown", der sehr bald in einen
Staatsbankrott münden könnte. Das Staatsschiff hinterlässt den
Eindruck, richtungslos auf hoher See herumzuirren. Wie ein Stück
Treibholz, das irgendwann, irgendwo ankommt, aber nicht selber den
Kurs bestimmt. Kritiker halten Obama vor, wenn es ungemütlich werde,
verschwinde er stets unter Deck. Sein unterlegener Herausforderer bei
den Präsidentschaftswahlen 2008 John McCain ätzte, Obamas "rote
Linie" in Syrien sei offenbar mit selbstauflösender Tinte geschrieben
worden. Dass er sich den Vergeltungsschlag für den
Chemiewaffen-Angriff vom Kongress absegnen lassen wollte, sei nichts
weiter als Führungsschwäche. In der aktuellen Krise lautet der
Vorwurf der Konservativen genau anders herum. Speaker John Boehner
beklagt sich bitter, Obama lehne kategorisch jede Verhandlung ab.
Zauderer und Zampano - kann es sein, dass Obama auf der Weltbühne
seine Macht nicht nutzt, während er sie daheim überzieht? Die Basis
der Demokraten kann darüber nur lachen. Für deren Geschmack wandelt
der Drohnenkrieger noch viel zu sehr auf den Spuren George W. Bushs.
Gleichzeitig halten sie ihm vor, bei den vorangegangenen Fiskalkrisen
zu viel Tafelsilber verschenkt zu haben. Der erste schwarze Präsident
im Weißen Haus passt nicht in die Schablonen, die Washington für
seine Führer entworfen hat. Der Commander-in-Chief, der den
Einsatzbefehl für die riskante Kommando-Aktion gegen Osama bin-Laden
gegeben hat, ist derselbe, der versucht, die Supermacht aus dem
Bürgerkrieg in Syrien herauszuhalten. Und der Führer, der sein
politisches Kapital in die Einführung der ersten allgemeinen
Krankenversicherung investiert hat, steckt zurück, wenn ihm der
Kongress die Schließung Guantanamos verweigert. Obama musste lernen,
mit Zerrbildern zu leben. Allen voran, dass er nicht regieren kann.
Er lebt gut damit, weil seine Gegner ihn oft unterschätzen. Als Erste
musste das bei den Vorwahlen 2008 Hillary Clinton erfahren. Zuletzt
deklassierte er Mitt Romney bei seiner Wiederwahl 2012 mit fünf
Millionen Stimmen. Wenn ihm seine Widersacher Schwäche unterstellen,
überrascht Obama mit eisernem Willen. Klagen sie über
Unnachgiebigkeit, beweist er taktisches Geschick. Der Präsident
begreift Politik als die Kunst des Möglichen. Ein Muster, das sich
von der Durchsetzung der Jahrhundertreform des Gesundheitswesens bis
hin zur Chemiewaffen-Resolution für Syrien verfolgen lässt. Nicht
immer schön, aber höchst effektiv. Historiker werden noch lange
darüber streiten, ob es an dem Alleingang bei der Gesundheitsreform,
dem weiten Rechtsruck der Republikaner, rassistischen Vorurteilen
oder handwerklichem Ungeschick des Amtsinhabers lag. Obama schaffte
es jedenfalls nicht, sein Versprechen einzulösen, das vielfach
gespaltene Amerika zu einen. Das rächt sich in der Fiskal-Krise.
Zwischen Obama und Boehner herrscht Eiszeit, seit 2011 der Versuch
scheiterte, einen fiskalpolitischen "Grand Bargain" auszuhandeln.
Anders als beim letzten Showdown vor 17 Jahren, als Newt Gingrich die
Regierung fast eigenhändig lahmlegte, geht die Revolte diesmal von
unten aus. Ein paar Dutzend radikale Tea-Party-Rebellen halten
Boehner in Geiselhaft. Knickt er ein und erlaubt einer Mehrheit aus
moderaten Republikanern und Demokraten, die Staatskrise zu beenden,
droht er seinen Job zu verlieren. In einem System der geteilten
Regierung braucht es zwei zum Tanz. Das Verhältnis zwischen Obama und
den Republikanern ist so zerrüttet, dass die Braut eher den
Sprenggürtel zündet, als sich führen lässt. Das Ansehen und die
Kreditwürdigkeit der USA drohen zum Kollateralschaden zu werden.
Obama weiß, dass er dies verhindern muss. Die offene Frage bleibt:
Wie? Der Präsident steht vor der größten Herausforderung seiner
Amtszeit.
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